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[Tagebuch, 5. Januar 1914; Montag]

5. I 14 nachmittag. Goethes Vater ist in Verblödung gestorben, zur Zeit seiner letzten Krankheit arbeitete G. an der Iphigenie

"Schaff das Mensch nachhause, es ist besoffen" sagt irgend ein Hofbeamter zu Goethe über Christiane

Der wie seine Mutter saufende August, der sich mit Frauenzimmern in gemeiner Weise herumtreibt.

Die ungeliebte Ottilie, die ihm aus gesellschaftlichen Rücksichten vom Vater als Frau diktiert wird.

Wolf der Diplomat und Schriftsteller

Walter der Musiker, kann nicht die Prüfungen machen. Zieht sich für Monate ins Gartenhaus zurück; als die Zarin ihn sehen will: "Sagen Sie der Zarin, dass ich kein wildes Tier bin"

"Meine Gesundheit ist mehr von Blei als von Eisen. "

Kleinliche ergebnislose schriftstellerische Arbeit des Wolf.

Greisenhafte Gesellschaft in den Mansardenzimmern. Die 80jährige Ottilie, der 50jährige Wolf und die alten Bekannten.

Erst an solchen Extremen merkt man, wie jeder Mensch unrettbar an sich selbst verloren ist und nur die Betrachtung der andern und des in ihnen und überall herrschenden Gesetzes kann trösten. Wie ist Wolf von außen aus lenkbar, hier hin oder dorthin zu versetzen, zu erheitern, zu ermutigen, zu systematischer Arbeit zu bringen und wie ist er innerlich gehalten und unbeweglich.

Warum wandern die Tschuktschen aus ihrem schrecklichen Lande nicht aus, überall würden sie besser leben, im Vergleich zu ihrem gegenwärtigen Leben und zu ihren gegenwärtigen Wünschen. Aber sie können nicht; alles was möglich ist, geschieht ja; möglich ist nur das, was geschieht.

In dem kleinen Städtchen F. hatte ein Weinhändler aus der größern Nachbarstadt eine Weinstube einrichten lassen. Er hatte ein kleines Gewölbe in einem Haus auf dem Ringplatz gemietet, die Wände mit orientalischen Ornamenten bemalen und alte fast schon unbrauchbare Plüschmöbel aufstellen lassen

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at