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An Felice Bauer
[Monogramm am Kopf des Bogens "H.K."]
Es hat sich, Felice, zwischen uns, soweit es mich betrifft, im letzten
Vierteljahr nicht das geringste geändert, nicht in gutem und nicht
in schlechtem Sinn. Ich bin natürlich auf Deinen ersten Anruf bereit
und hätte Deinen frühem Brief, wenn er angekommen wäre,
gewiß und gleich beantwortet. Ich habe allerdings nicht daran gedacht,
Dir zuschreiben - im Askanischen Hof war dir Wertlosigkeit von Briefen und
allem Geschriebenen zu deutlich geworden -, aber da mein Kopf (auch in seinen
Schmerzen und gerade heute) der alte geblieben ist, hat es ihm an Gedanken
und Träumen, die von Dir gehandelt haben, nicht gefehlt, und das Zusammenleben,
das wir in meinem Kopfe geführt haben, war nur manchmal bitter, meistens
aber friedlich und glücklich. Einmal allerdings wollte ich Dir, zwar
nicht schreiben, aber eine Nachricht durch jemanden andern schicken lassen,
Du wirst es nicht erraten, es war eine besondere Gelegenheit, ausgedacht
während des Einschlafens, gegen 4 Uhr früh, der üblichen
Zeit meines ersten Schlafes.
Vor allem aber dachte ich deshalb nicht daran zu schreiben, weil mir wirklich
das Wichtigste in unserer Beziehung klar schien. Du warst schon seit langem
im Irrtum, wenn Du Dich so oft auf Unausgesprochenes beriefst. Es hat nicht
an Aussprache, aber an Glauben gefehlt. Weil Du das, was Du hörtest
und sahst, nicht glauben konntest, dachtest Du, es wäre Unausgesprochenes
vorhanden. Du konntest nicht die Macht einsehn, die meine Arbeit über
mich hat, Du sahst sie ein, aber bei weitem nicht vollständig. Infolgedessen
mußtest Du alles, was die Sorge um diese Arbeit, nur die Sorge um
diese Arbeit, an Sonderbarkeiten in mir hervorrief, die Dich beirrten,
unrichtig deuten. Nun traten aber außerdem diese Sonderbarkeiten
(zugegebener Weise abscheuliche Sonderbarkeiten, mir selbst am widerlichsten)
Dir gegenüber stärker auf als jemandem sonst. Das war sehr natürlich
und geschah nicht nur aus Trotz. Sieh, Du warst doch nicht nur der größte
Freund, sondern gleichzeitig auch der größte Feind meiner Arbeit,
wenigstens von der Arbeit aus gesehn, und sie mußte sich deshalb
ebenso, wie sie Dich in ihrem Kern über alle Grenzen liebte, in ihrer
Selbsterhaltung mit allen Kräften gegen Dich wehren. Und zwar in jeder
Einzelheit. Ich dachte z. B. daran, als ich einmal abend mit Deiner Schwester
bei einem fast ausschließlichen Fleischessen saß. Wärest
Du dabei gewesen, hätte ich wahrscheinlich Knackmandeln bestellt.
Auch im Askanischen Hof habe ich nicht aus Trotz geschwiegen. Was Du sagtest,
war doch so deutlich, ich will es nicht wiederholen, aber es waren Dinge
darunter, die fast unter 4 Augen zu sagen unmöglich hätte sein
sollen. Allerdings sagtest Du sie erst, nachdem ich lange genug geschwiegen
oder ganz Wesenloses gestottert hatte. Du wartetest auch nachher noch lange
genug, damit ich sprechen sollte. Ich sage auch jetzt nichts mehr dagegen,
dass Du Frl. Bl. mitgenommen hattest, ich hatte Dich ja in
dem Brief an sie fast entwürdigt, sie durfte dabeisein. Daß
Du allerdings auch Deine Schwester, die ich damals kaum kannte, hinkommen
ließest, verstand ich nicht. Aber beider Anwesenheit beirrte mich
nur wenig, es ist möglich, dass ich, wenn ich etwas Entscheidendes
zu sagen imstande gewesen wäre, aus Trotz geschwiegen hätte.
Das ist möglich, aber ich hatte nichts Entscheidendes zu sagen. Ich
sah, dass alles verloren war, ich sah auch, dass ich es noch
im letzten Augenblick durch irgendein überraschendes Bekenntnis retten
konnte, aber ich hatte kein überraschendes Bekenntnis zu machen. Ich
hatte Dich lieb wie heute, ich sah Dich in Not, ich wußte, dass
Du durch mich zwei Jahre unschuldig gelitten hast, wie Schuldige nicht
leiden dürften, aber ich sah auch, dass Du meine Lage nicht begreifen
konntest. Was hätte ich tun sollen? Nichts anderes, als das, was ich
getan habe: mitzufahren, zu schweigen oder etwas ganz Dummes zu sagen,
die Geschichte von dem komischen Droschkenkutscher anzuhören und Dich
anschauen mit dem Gefühl, dass es das letzte Mal sei.
Wenn ich sage, dass Du meine Lage nicht begreifen konntest, so behaupte
ich nicht zu wissen, wie Du hättest handeln sollen. Hätte ich
das gewußt, ich hätte es Dir nicht verschwiegen. Ich habe Dir
meine Lage immer wieder darzustellen versucht, Du hast sie natürlich
auch verstanden, aber in lebendige Beziehung zu ihr kommen, das konntest
Du nicht. Es waren und sind in mir zwei, die miteinander kämpfen.
Der eine ist fast so wie Du ihn wolltest, und was ihm zur Erfüllung
Deines Wunsches fehlt, das könnte er durch weitere Entwicklung erreichen.
Nicht einer Deiner Vorwürfe im Askanischen Hof bezog sich auf ihn.
Der andere aber denkt nur an die Arbeit, sie ist seine einzige Sorge, sie
macht, dass ihm die gemeinsten Vorstellungen nicht fremd sind, der
Tod seines besten Freundes würde sich ihm zuallererst als ein wenn
auch vorübergehendes Hindernis der Arbeit darstellen, der Ausgleich
zu dieser Gemeinheit liegt darin, dass er für seine Arbeit auch
leiden kann. Die zwei kämpfen nun, aber es ist kein wirklicher Kampf,
bei dem je zwei Hände gegeneinander losschlagen. Der erste ist abhängig
vom zweiten, er wäre niemals, aus innern Gründen niemals imstande,
ihn niederzuwerfen, vielmehr ist er glücklich, wenn der zweite glücklich
ist, und wenn der zweite dem Anschein nach verlieren soll, so kniet der
erste bei ihm nieder und will nichts anderes sehn als ihn. So ist es, Felice.
Und doch kämpfen sie miteinander und doch könnten beide Dir gehören,
nur ändern kann man nichts an ihnen, außer man zerschlägt
beide.
In Wirklichkeit stellt sich das nun so dar, dass Du das alles vollständig
hättest anerkennen müssen, dass Du hättest einsehn
müssen, dass alles, was dort geschieht, auch für Dich geschielt,
und dass alles, was die Arbeit für sich braucht, nicht Trotz,
nicht Laune, sondern Hilfsmittel ist, zum Teil notwendig an sich, zum Teil
durch meine für diese Arbeit äußerst feindlichen Lebensumstände
erzwungen. Sieh, wie ich jetzt lebe. Allein in der Wohnung meiner ältesten
Schwester. Sie wohnt, da der Schwager im Krieg ist, bei meinen Eltern.
Soweit mich nicht einzelnes, insbesondere die Fabrik, stört, ist meine
Zeiteinteilung diese: Bis ½3 im Bureau, dann Mittagessen zuhause,
dann 1 oder 2 Stunden Zeitunglesen, Briefeschreiben oder Bureauarbeiten,
dann hinauf in meine Wohnung (Du kennst sie) und schlafen oder bloß
schlaflos liegen, dann um 9 hinunter zu den Eltern zum Abendessen (guter
Spaziergang), um 10 mit der Elektrischen wieder zurück und dann so
lange wach bleiben, als es die Kräfte oder die Angst vor dem nächsten
Vormittag, die Angst vor den Kopfschmerzen im Bureau erlaubt. Während
des letzten Vierteljahres ist heute der zweite Abend, an dem ich nicht
arbeite, der erste war etwa vor einem Monat, da war ich zu müde. Ich. hatte im Laufe der letzten Zeit auch 14 Tage Urlaub,
da hatte sich natürlich die Zeiteinteilung ein wenig geändert,
soweit es in der Eile dieser kurzen 14 Tage, in der Aufregung, dass
ein Tag nach dem andern vergeht, möglich war. Ich saß eben durchschnittlich
bis 5 Uhr früh beim Tisch, einmal auch bis ½8, schlief dann,
in den letzten Tagen des Urlaubs gelang es mir schon wirklich zu schlafen,
bis 1 oder 2 Uhr nachmittag, und nun war ich allerdings frei und hatte
Urlaub bis abend.
Vielleicht siehst Du, Felice, die Möglichkeit einer Lebensweise ein,
wie ich sie während des Urlaubs führte, aber mein Leben in der
übrigen Zeit kannst Du nicht billigen oder konntest es wenigstens
bisher freiwillig nicht. Ich sitze oder liege während der Stunden
des Tages, die allein ich als mir entsprechendes Leben anerkenne, allein
in diesen stillen 3 Zimmern, komme mit niemandem zusammen, auch finit meinen
Freunden nicht, nur mit Max für paar Minuten auf dem Nachhauseweg
aus dem Bureau und - bin nicht glücklich, gewiß nicht, aber doch
manchmal zufrieden damit, dass ich, so gut es unter diesen Umständen
geht, meine Pflicht erfülle.
Diese Art der Lebensführung habe ich immer eingestanden, sie war immer
die Frage und die Probe. Du hast diese Frage nicht mit "nein"
beantwortet, aber Dein "ja" umfaßte niemals die ganze
Frage. Was aber als Lücke in dieser Antwort blieb, das füllte
sich bei Dir, Felice, mit Haß oder, wenn das Wort zu stark sein sollte,
mit Widerwillen. Es begann damals, als Du in Frankfurt warst, die unmittelbare
Veranlassung weiß ich nicht, vielleicht war auch keine vorhanden,
jedenfalls begann dieser Widerwille in Deinen Briefen aus Frankfurt aufzutreten,
in der Art, wie Du auf meine Angst um Dich antwortest, in der Art, wie
Du Dich zurückhieltest. Wahrscheinlich wußtest Du damals selbst
noch nichts davon, später mußtest Du es aber erkennen. Was war
denn die Angst, von der Du später im Tiergarten so oft sprachst und
die Dich noch viel mehr als zum Sprechen zum Schweigen zwang, was war sie
denn sonst als Widerwillen vor meiner Lebensweise und mittelbar auch vor
meinen Absichten, mit denen Du nicht in Einklang kommen konntest, die Dich
beleidigten. Ich sehe Dich, wie Du mit Tränen in den Augen dem Dr.
W. zuhörtest - es war Angst; wie Du (einzelne vielleicht
nicht immer richtige Beispiele!) am Abend, bevor ich zu Deinen Eltern ging,
keine klare Antwort geben konntest, - es war Angst; wie Du in Prag über
manches an mir klagtest - es war Angst, immer, immer wieder Angst. Ich
setze Angst statt Widerwillen, aber die beiden Gefühle mischten sich.
Und was Du schließlich im Askanischen Hof sagtest, war es nicht der
Ausbruch alles dessen? Konntest Du noch zweifeln, als Du Dich damals hörtest?
Gebrauchtest Du nicht sogar den Ausdruck, dass Du Dich verlieren müßtest,
wenn Du - Und selbst in Deinem heutigen Brief, Felice, finde ich Stellen,
die noch aus dieser Angst herkommen könnten. Du darfst mich, Felice,
nicht mißverstehn. Dieser Widerwille bestand, aber Du hattest Dich
ja vor aller Welt entschlossen, ihm zu trotzen. Es konnte zu einem guten
Ende führen, ich selbst hoffte es ja in glücklichen Stunden.
Davon rede ich aber jetzt nicht. Du willst eine Erklärung meines letzten
Verhaltens und diese Erklärung liegt eben darin, dass ich Deine
Angst, Deinen Widerwillen dauernd vor mir sah. Ich hatte die Pflicht, über
meiner Arbeit zu wachen, die mir allein das Recht zum Leben gibt, und Deine
Angst zeigte mir oder ließ mich fürchten (mit einer viel unerträglicheren
Angst), dass hier für meine Arbeit die größte Gefahr
bestand. "Ich war nervös, ich war zermürbt, ich glaubte
am Ende meiner Kraft zu sein", so wie Du schreibst, war es. So wild
haben die zwei in mir nie gekämpft wie damals. Und ich schrieb dann
den Brief an Frl. Bl. .
Vielleicht habe ich aber meine Angst noch nicht gut begründet, Deine
Erklärung im Ask. H. fand doch erst später
statt, die darf ich jetzt nicht heranziehn. Eines der deutlichsten Beispiele
ist aber die Nichtübereinstimmung wegen der Wohnung, jede Einzelheit
Deines Planes erschreckte mich, wenn ich ihr auch nichts entgegensetzen
konnte und jeder zweifellos Dir recht geben mußte. Nur Du selbst
hättest Dir nicht recht geben dürfen. Du wolltest etwas Selbstverständliches:
eine ruhige, ruhig eingerichtete, familienmäßige Wohnung, wie
sie die andern Familien Deines und auch meines Standes hatten. Du wolltest
überhaupt nichts mehr als was diese Leute hatten (auch in Deinem heutigen
Brief sind sie erwähnt, es sind die, denen es "im Schlafen zufällt"),
aber das was diese hatten, wolltest Du vollständig. Ich bat Dich einmal - es
war schon nahe der letzten Angst - die Feierlichkeit im Tempel zu verhindern,
Du antwortetest darauf nicht, ich nahm in meiner Angst an, dass Du
über meine Bitte erbittert wärest, und tatsächlich erwähntest
Du im A. H. auch diese Bitte. Was bedeutete aber die
Vorstellung, die Du Dir von jener Wohnung machtest? Sie bedeutete, dass
Du mit den andern übereinstimmtest, aber nicht mit mir; für jene
andern ist aber die Wohnung berechtigter Weise etwas ganz anderes, als
sie es für mich gewesen wäre. Diese andern sind, wenn sie heiraten,
fast gesättigt und die Ehe ist für sie nur der letzte große,
schöne Bissen. Für mich nicht, ich bin nicht gesättigt,
ich habe kein Geschäft gegründet, das sich von Ehejahr zur Ehejahr
weiterentwickeln soll, ich brauche keine endgültige Wohnung, aus deren
geordnetem Frieden heraus ich dieses Geschäft führen will, - aber
nicht nur, dass ich eine solche Wohnung nicht brauche, sie macht mir
Angst. Ich habe einen solchen Hunger nach meiner Arbeit, dass er mich
schlaff macht; meine Verhältnisse hier sind aber meiner Arbeit entgegengesetzt,
und richte ich in diesen Verhältnissen eine Wohnung nach Deinem Wunsche
ein, so heißt das - wenn nicht in Wirklichkeit, so doch im Zeichen
- , dass ich den Versuch mache, diese Verhältnisse zu lebenslänglichen
zu machen, also das Schlimmste, was mich treffen kann.
Ich möchte das, was ich jetzt gesagt habe, irgendwie einschränken
und dadurch genauer bestimmen. Du kannst mit Recht fragen, was für
Pläne wegen der Wohnung ich von Dir also erwartete. Ich kann darauf
nicht eigentlich antworten. Am entsprechendsten und natürlichsten
für meine Arbeit wäre es allerdings gewesen, alles wegzuwerfen
und irgendwo eine Wohnung noch höher als im 4ten Stock zu suchen,
nicht in Prag, anderswo, aber allem Anschein nach bist weder Du geeignet,
im selbstgewählten Elend zu leben, noch bin ich es. Vielleicht bin
ich dazu sogar noch weniger geeignet als Du. Nun, wir haben es noch keiner
erprobt. Erwartete ich also etwa diesen Vorschlag von Dir? Nicht geradezu;
ich hätte zwar nicht gewußt, was tun vor Glück über
einen solchen Vorschlag, aber erwartet habe ich ihn nicht. Aber es gab
vielleicht einen Mittelweg oder vielmehr es gab ganz bestimmt einen solchen.
Und Du hättest ihn gewiß gefunden, ohne Suchen, ganz selbstverständlich,
wenn, ja eben, wenn nicht jene Angst, jener Widerwille gewesen wäre,
der Dich vor dem abhielt, was für mich und für unser Zusammenleben
unbedingt notwendig war. Ich konnte ja noch immer hoffen, dass es
zu dieser Einigkeit käme, aber das waren nur Hoffnungen, gegenwärtig
waren jedoch jene Anzeichen des Gegenteils, vor denen ich Angst haben mußte
und gegen die ich mich auch wehren mußte, wenn ich wollte, dass
Du einen lebenden Mann bekommst.
Nun kannst Du ja gewiß das Ganze wenden und sagen, dass Du ebenso
gefährdet warst in Deinem Wesen wie ich in meinem und dass Deine
Angst ebenso berechtigt war wie meine. Ich glaube nicht, dass es so
war. Ich liebte Dich doch in Deinem wirklichen Wesen, und nur wenn es feindlich
an meine Arbeit rührte, fürchtete ich es. Ich hätte doch,
da ich Dich so liebte, nicht anders können als Dir helfen, Dich zu
erhalten. Immerhin ist das nicht ganz wahrheitsgemäß, gefährdet
warst Du, aber wolltest Du denn gar nicht gefährdet sein? Niemals?
Gar nicht?
Es ist nichts Neues, was ich gesagt habe, vielleicht ist es ein wenig neu
zusammengefaßt, neu ist es aber nicht. Neu ist jedoch, dass
es außerhalb eines ständigen Briefwechsels geschrieben ist und
dass ich deshalb und weil Du diese Zusammenfassung wolltest, Hoffnung
habe, eine klare Antwort zu bekommen. Ich bin begierig auf Deine Antwort.
Du mußt mir antworten, Felice, wieviel Du auch an meinem Briefe aussetzen
mögest. Ich warte sehr ungeduldig auf Deine Antwort. Als ich gestern
den Brief abbrach - es war schon spät und mich niederlegte, schlief
ich ein kleines Weilchen, aber als ich dann erwachte und bis zum Morgen
nicht mehr eigentlich einschlief, kam unsere Sorge und unser Leid - hier
ist wirklich etwas Gemeinsames - unverändert wie in der ärgsten
Zeit über mich. Es hängt ja noch alles zusammen, nichts ist von
diesen Sorgen aufgelöst, wenn man es nur ein wenig herankommen läßt.
Es reißt einen herum, als ob es einen an der Zunge festhielte. Ich
glaubte in dieser Nacht manchmal, die Grenzen der Narrheit wären schon
hinter mir und ich wußte nicht, wie ich mich retten sollte. Du wirst
mir also antworten und wirst mir, wenn Du besonders freundlich sein willst,
es telegraphisch anzeigen, wenn Du diesen Brief bekommst.
Du erwähnst den Briefwechsel mit Erna. Ich weiß nicht, was Du
damit meinst, dass ich unabhängig von diesem Briefwechsel Dir
antworten soll. Es trifft sich gerade, dass ich Erna morgen schreibe.
Ich werde ihr daher auch schreiben, dass ich Dir geschrieben habe.
Erna war über alle Begriffe gut zu mir und ist
es auch zu Dir.
Franz
Bl.: Grete Bloch.
Schwester: Erna Bauer.
Ich. hatte im Laufe der letzten Zeit auch 14 Tage Urlaub:
Vom 5. bis zum 19. Oktober 1914. Vgl. Tagebücher (7. und 15.
Oktober), S. 437f
Ask. H. bzw. A.H.: Das Hotel Askanischer Hof.
Dr. Weiß: Dr. Ernst Weiß
den Brief an Frl. Bl. : Einer der Briefe an Grete
Bloch, auf die Anm 1 S. 612 verweist.
Erna: Von den Angehörigen Felicens schätzte
er Erna am meisten. Schon anläßlich seines ersten Besuchs bei
der Familie Bauer (Pfingsten 1913) war sie freundlicher zu ihm als die
anderen. Als er nach der Auflösung des Verlöbnisses von Berlin
abreiste, begleitete sie ihn zum Lehrter Bahnhof: "Und E. ist lieb
zu mir; glaubt sogar unbegreiflicherweise an mich, trotzdem sie mich vor
dem Gericht (Auseinandersetzung im "Askanischen Hof") gesehen hat; ich
fühle sogar hie und da die Wirkung dieses Glaubens an mich ...".
Vgl. Tagebücher (28. Juli 1914), S. 411. Auf der Rückreise
von dem dänischen Ostseebad Marielyst nach Prag kam Kafka am 26. Juli
1914 noch einmal mit Erna Bauer in Berlin zusammen. Vgl. Franz Kafka, Briefe
an Ottla und die Familie, hg. v. H. Binder und K. Wagenbach (New-York/Frankfurt/M.
1974), S. 25.
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