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An Grete Bloch
Liebes Fräulein Grete, nur paar Zeilen, in einem schönen Park
geschrieben, das Rauschen eines Springbrunnens und den friedlichen Lärm
der Kinder im Ohr. Was bedeutet das, ich bekomme Sinn für die Vergnügungen
ganz alter Ehepaare, für den Blick über Rasenflächen, das
Stillsitzen in der Abendsonne, das Beobachten von Spatzen. Mein Kopf, der
nun 4 Nächte - es war schon viel besser - fast keinen Schlaf bekommen
hat, beruhigt sich ein wenig. Und wie lebe ich? Sie sitzen im Bureau und
klopfen Ihren Schülern auf die Finger, während ich - heute war
ein besonderer Schontag - eine Stunde, allerdings nutzlos, zu schlafen
versucht habe, dann auf der Schwimmschule war, geschwommen, dann geturnt
habe, dann nach einem Spaziergang in einer Milchhalle sauere Milch getrunken
habe und jetzt im Park sitze und Ihnen schreibe. Könnte mich ein Kindermädchen
besser pflegen, als ich es tue? Und in der Nacht? In der Nacht werde ich
2-3 Stunden federleicht unter häufigem Erschrecken schlafen und dann
endgiltig aufwachen, augenblicksweise vielleicht noch das halbe Bewußtsein
verlieren, aber einschlafen gar nicht mehr und pünktlich durch alle
Uhrenschläge vom Turm her daran erinnert werden, dass die Zeit
vergeht, dass nach der schrecklichen Nacht der schreckliche Morgen
kommt u.s.f. Wie blödsinnig ich klage! Und weiß doch gut, dass
es vorübergehn muß und dass ich daran noch nicht zugrunde
gehen werde.
Heute abend komme ich übrigens besonders spät ins Bett. Dr. Weiß
kommt, wie er mir gestern geschrieben hat, heute um 11 Uhr aus Berlin.
Es ist mir ein wenig unheimlich. Er wollte nach Prag kommen, aber erst
Anfang Juli, nun kommt er so plötzlich. Was tue ich, wenn er wegen
meiner Nachrichten kommt. Es wäre nicht unmöglich, aber für
mich scheußlich.
Das hätte also wieder der Klagemensch in mir verursacht, so wie er
- das Gewissen brannte mich den ganzen Tag und hat heute über Ihren
Briefen wieder zu brennen angefangen - auch Ihre gestrige Unruhe verursacht
hat. Wie erträgt nur Gott diese Klagen? Warum schlägt er mich
nicht nieder? Aber - so sagt wieder der Klagemensch in mir - er schlägt
mich ja nieder.
Ja, Erna werde ich nun .doch ganz bestimmt schreiben. Ich wollte auch gern
Erna und Toni etwas schenken. Es ist wieder meine Schwäche, die den
Menschen geradezu anzupacken nicht imstande ist, so sehr sie es wünscht,
und sich also damit begnügen muß, ihn mit Geschenken zu umgehn.
Erna will ich ein Buch geben, für Toni wollte F. in meinem Namen etwas
kaufen und schenken, hat es aber offenbar vergessen und vergißt es
nun wahrscheinlich absichtlich noch während sie die Briefe liest,
in denen ich sie daran erinnere. Können Sie mir einen Rat geben? Sie
sind doch nun einmal meine Ratgeberin im großen und kleinen.
Aber jetzt ist schon spät, ich beendige meine heutige Licht- Luft-
und Wasserbehandlung, stecke den Bleistift ein und wandere nachhause.
Herzlichste Grüße Ihr FranzK.
Wollten Sie mir nicht noch etwas von Ihrem Bruder schicken? Was bedeutet
die Klage über den dummen Wochenanfang? - Die Briefe liest natürlich
niemand mehr mit und wird niemand mehr lesen.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at