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An Grete Bloch

29. V. 14
 


Liebes Fräulein Grete, wenn Sie dies lesen, sind wir beide, hoffentlich wir beide, in Berlin. Es ist sehr lieb von Ihnen, dass Sie gekommen sind, sehr lieb. Da ich mündlich das Wort vielleicht nicht so auszusprechen imstande wäre (die gleichen Vorbehalte, die Sie wegen Ihres Kleides machen, mache ich wegen meiner Stummheit, mit der ich geschlagen und gesegnet bin), schreibe ich es noch rasch hin.

Ihr vorletzter Brief kam Mittwoch, erst nach mehrfachem Lesen bemerkte ich oder glaubte zu bemerken, dass Ihrer Meinung nach der Brief schon Dienstag und infolgedessen eine Antwort von mir schon Mittwoch hätte kommen sollen. Nein, er kam erst Mittwoch früh und gleich darauf bekam ich im Bureau den andern Brief. Wenn Sie nach Prag gekommen wären, wäre ich gewiß Samstag mittag weggefahren und 6.51 nach Berlin gekommen. Jetzt aber zweifle ich fast daran und werde wahrscheinlich erst um 3 fahren und um ½11 abends kommen. Mein Gepäck wird aus Schlaflosigkeit, Magendrücken, Kopfzucken, Schmerzen im linken Fuß bestehn, aber neben der Wiedersehensfreude wiegt es nicht zu schwer. Beeilen Sie sich nur zu F.[*] zu kommen, ohne Rücksicht auf das Kleid, verbessern Sie nichts mehr daran, es wird, wie es auch sein mag, mit den, nun, mit den zärtlichsten Augen angesehen werden.

Ihr Franz K.


*] [Darüber, zwischen den Zeilen] der ich nichts verraten habe


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at