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An Grete Bloch
Liebes Fräulein Grete, wenn Sie dies lesen, sind wir beide, hoffentlich
wir beide, in Berlin. Es ist sehr lieb von Ihnen, dass Sie gekommen
sind, sehr lieb. Da ich mündlich das Wort vielleicht nicht so auszusprechen
imstande wäre (die gleichen Vorbehalte, die Sie wegen Ihres Kleides
machen, mache ich wegen meiner Stummheit, mit der ich geschlagen und gesegnet
bin), schreibe ich es noch rasch hin.
Ihr vorletzter Brief kam Mittwoch, erst nach mehrfachem Lesen bemerkte
ich oder glaubte zu bemerken, dass Ihrer Meinung nach der Brief schon
Dienstag und infolgedessen eine Antwort von mir schon Mittwoch hätte
kommen sollen. Nein, er kam erst Mittwoch früh und gleich darauf bekam
ich im Bureau den andern Brief. Wenn Sie nach Prag gekommen wären,
wäre ich gewiß Samstag mittag weggefahren und 6.51 nach Berlin
gekommen. Jetzt aber zweifle ich fast daran und werde wahrscheinlich erst
um 3 fahren und um ½11 abends kommen. Mein Gepäck wird aus
Schlaflosigkeit, Magendrücken, Kopfzucken, Schmerzen im linken Fuß
bestehn, aber neben der Wiedersehensfreude wiegt es nicht zu schwer. Beeilen
Sie sich nur zu F.[*] zu kommen, ohne Rücksicht auf das Kleid, verbessern
Sie nichts mehr daran, es wird, wie es auch sein mag, mit den, nun, mit
den zärtlichsten Augen angesehen werden.
Ihr Franz K.
*] [Darüber, zwischen den Zeilen] der ich nichts verraten habe
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at