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An Felice Bauer

28. V. 14
 


Im Bureau. Es gibt viel zu tun. Böse war ich nicht. Ich war wütend, traurig und einiges dergleichen, aber böse nicht. (Wäre ich nicht sowieso schlaflos, hätte es vielleicht zu meiner Schlaflosigkeit beigetragen.) Der Genauigkeit halber füge ich hinzu, dass Dein Nichtschreiben nicht zwei, sondern 3 Tage gedauert hat.

Es ist immer das alte, wie in der ganzen Weltgeschichte: Jeder sucht sich seinen Boden zum Kampf aus. Es wird mir nichts übrig bleiben, als mir auch den andern Boden zu erobern. Ein guter Zwang für eine gute Sache.

In den nächsten Tagen wirst Du von 2 Seiten scheinbar auf meine Anregung hin wegen Möbelkaufes angegangen werden. Einmal von den Deutschen Werkstätten. Sie schreiben mir öfters, endlich mußte ich ihnen antworten. Im übrigen halte ich ihre Möbel wirklich für die besten, ich meine für die anständigsten, einfachsten. Außerdem wird ein Vertreter einer Prager Firma kommen. Den laß nur rasch hinausbefördern. Er war einmal bei mir im Bureau, ich brummte etwas in meiner Verschlafenheit, er gab seine Visitkarte ab, behauptete, als ehemaliger Berliner Deinen Geschmack besonders gut treffen zu können und ging. Nun kam er letzthin wieder. Er war ein wenig besser angezogen und mein unglückseliges Personengedächtnis spiegelte mir einen bekannten Advokaten in ihm vor. Ich gehe freundlichst auf ihn zu, drücke ihm die Hand und - erfahre, wer er ist. (Du mußt wissen, die Firma, die er vertritt, hat äußerst teuere, überladene Möbel.) Nun konnte ich mich nicht mehr so rasch in einen unfreundlichen Käufer verwandeln und gab ihm, da er anläßlich einer Berliner Reise (er dürfte Freitag zu Dir kommen) darum bat, Deine Adresse. Auch bat er darum, dass ich ihn brieflich ankündige. Einem Mann, dem ich so freundlich die Hand gedrückt hatte, konnte ich auch das nicht abschlagen und führe es jetzt auf diese gemeine Weise aus.

Grüße alle, Deine und meine, und laß Dich küssen auf das sonderbar liebe Gesicht.

F




Grüße alle, Deine und meine: Kafkas Mutter und seine Schwester Ottla waren schon in Berlin.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at