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An Felice Bauer
Im Augenblick schlägt mir das Herz mit der Wut, mit der es in einem
Schuljungen schlagen muß, wenn er Indianergeschichten gelesen hat.
Ich habe paar Seiten in den Lebenserinnerungen von Berlioz gelesen. Aber
davon will ich nicht reden.
Wie Felice? Dir verfliegt die Zeit zu rasch? Schon Ende Mai? Schon? Nun,
ich sitze hier an der Kurbel; wenn Du willst, drehe ich die Zeit zurück.
Auf welchen Monat der letzten zwei Jahre soll ich sie zurückdrehn?
Antworte genau!
Du beschämst mich, F., Du schreibst, meiner Schrift nach dürfte
mein Finger schon besser sein. Besser? Mein Finger ist schon längst
heil, und die Schrift meines letzten Briefes war fast meine schönste.
Du betrübst mich auch. Bist wenig scharfsinnig. Welches Möbel
man braucht? Eine spanische Wand natürlich oder eine Matte, um "müllern"
zu können. Um nackt bei offenem Fenster müllern zu können,
ohne dass die Leute gegenüber die gute Gelegenheit benützen
und mitzuturnen anfangen.
Den Theaterzettel habe ich schon gesehn. Für mich entfällt nach
meinem gestrigen Brief die Möglichkeit ins Theater zu gehn. Dagegen
könnten wohl die Mutter und Ottla ins Theater gehn. Und zwar am besten
vor Samstag, ehe der Vater kommt, denn für ihn bedeutet Theater kein
Vergnügen. Wenn er gehen würde, würde er sich zwingen. Es
ist daher besser, man zeigt ihm irgendetwas anderes, das Cinetheater, von
dem Du einmal sprachst, oder sonst etwas, für das man immer auch später
Karten bekommt. Für die Mutter und Ottla wäre vielleicht am besten
"Was Ihr wollt" am Freitag. Sonst besorge aber für sie
keine Karten, bitte, auf keinen Fall.
Ja, Ottla ist mit ihrem Trotz schon fertig und fährt sehr gern mit.
Wieder Familiengeschichten und Dunkel.
Wo sollen sie wohnen? In Euerer Nähe gibt es wohl keine Hotels, und
wenn es welche gibt, werden sie unnötig teuer sein. Wäre nicht
also wieder der Askanische Hof zu beziehn? Ich bin in Glück und Unglück
so mit, ihm verwachsen, ich habe dort förmlich Wurzeln zurückgelassen,
an die ich mich förmlich, wenn ich wiederkomme, ansetze. Man liebt
mich auch dort. Allerdings ist es ein wenig unbequem eingerichtet, auch
genug teuer, aber-ich bleibe dabei-mir doch das liebste.
Du mußt nur in jedem Brief schreiben, dass Vorbereitungen für
die Hochzeit gemacht werden, und Du machst mich schon zufrieden. Allerdings
verstehe ich nicht ganz die Größe der damit verbundenen Arbeit.
Vergiß übrigens nicht, dass zu Deiner Ausstattung in
viel höherem Maße als Möbel und Wäsche das Schwimmen
gehört. Du hast mir versprochen, mir über jeden Fortschritt im
Schwimmen zu berichten. Du berichtest nichts, soll das heißen, dass
Du seit der Anmeldung keinen Fortschritt gemacht hast? Ich kann das nicht
glauben. Übrigens wirst Du Pfingsten geprüft werden. Lernst Du
an der Stange oder an einem Apparat?
Den Plan der Wohnung bekommst Du. Daß Adler im
gleichen Hause wohnt, stört mich nicht, solange nicht die Lindströmapparate
so vervollkommt(?) sind, dass sie aus dem Mezzanin bis im 4ten Stockwerk
zu hören sind. Es müßte denn sein, dass alle Zwischenwohner
von ihm Apparate kaufen. Was wir zwei dann oben auf diesem ungeheueren
Resonanzkasten machen werden, weiß ich allerdings nicht.
Franz
Adler: Der schon mehrmals erwähnte Prager
Vertreter der Firma Carl Lindström A. G.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at