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An Felice Bauer

25. V. 14
 


Im Augenblick schlägt mir das Herz mit der Wut, mit der es in einem Schuljungen schlagen muß, wenn er Indianergeschichten gelesen hat. Ich habe paar Seiten in den Lebenserinnerungen von Berlioz gelesen. Aber davon will ich nicht reden.

Wie Felice? Dir verfliegt die Zeit zu rasch? Schon Ende Mai? Schon? Nun, ich sitze hier an der Kurbel; wenn Du willst, drehe ich die Zeit zurück. Auf welchen Monat der letzten zwei Jahre soll ich sie zurückdrehn? Antworte genau!

Du beschämst mich, F., Du schreibst, meiner Schrift nach dürfte mein Finger schon besser sein. Besser? Mein Finger ist schon längst heil, und die Schrift meines letzten Briefes war fast meine schönste.

Du betrübst mich auch. Bist wenig scharfsinnig. Welches Möbel man braucht? Eine spanische Wand natürlich oder eine Matte, um "müllern" zu können. Um nackt bei offenem Fenster müllern zu können, ohne dass die Leute gegenüber die gute Gelegenheit benützen und mitzuturnen anfangen.

Den Theaterzettel habe ich schon gesehn. Für mich entfällt nach meinem gestrigen Brief die Möglichkeit ins Theater zu gehn. Dagegen könnten wohl die Mutter und Ottla ins Theater gehn. Und zwar am besten vor Samstag, ehe der Vater kommt, denn für ihn bedeutet Theater kein Vergnügen. Wenn er gehen würde, würde er sich zwingen. Es ist daher besser, man zeigt ihm irgendetwas anderes, das Cinetheater, von dem Du einmal sprachst, oder sonst etwas, für das man immer auch später Karten bekommt. Für die Mutter und Ottla wäre vielleicht am besten "Was Ihr wollt" am Freitag. Sonst besorge aber für sie keine Karten, bitte, auf keinen Fall.

Ja, Ottla ist mit ihrem Trotz schon fertig und fährt sehr gern mit. Wieder Familiengeschichten und Dunkel.

Wo sollen sie wohnen? In Euerer Nähe gibt es wohl keine Hotels, und wenn es welche gibt, werden sie unnötig teuer sein. Wäre nicht also wieder der Askanische Hof zu beziehn? Ich bin in Glück und Unglück so mit, ihm verwachsen, ich habe dort förmlich Wurzeln zurückgelassen, an die ich mich förmlich, wenn ich wiederkomme, ansetze. Man liebt mich auch dort. Allerdings ist es ein wenig unbequem eingerichtet, auch genug teuer, aber-ich bleibe dabei-mir doch das liebste.

Du mußt nur in jedem Brief schreiben, dass Vorbereitungen für die Hochzeit gemacht werden, und Du machst mich schon zufrieden. Allerdings verstehe ich nicht ganz die Größe der damit verbundenen Arbeit. Vergiß übrigens nicht, dass zu Deiner Ausstattung in viel höherem Maße als Möbel und Wäsche das Schwimmen gehört. Du hast mir versprochen, mir über jeden Fortschritt im Schwimmen zu berichten. Du berichtest nichts, soll das heißen, dass Du seit der Anmeldung keinen Fortschritt gemacht hast? Ich kann das nicht glauben. Übrigens wirst Du Pfingsten geprüft werden. Lernst Du an der Stange oder an einem Apparat?

Den Plan der Wohnung bekommst Du. Daß Adler im gleichen Hause wohnt, stört mich nicht, solange nicht die Lindströmapparate so vervollkommt(?) sind, dass sie aus dem Mezzanin bis im 4ten Stockwerk zu hören sind. Es müßte denn sein, dass alle Zwischenwohner von ihm Apparate kaufen. Was wir zwei dann oben auf diesem ungeheueren Resonanzkasten machen werden, weiß ich allerdings nicht.

Franz




Adler: Der schon mehrmals erwähnte Prager Vertreter der Firma Carl Lindström A. G.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at