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Brief von Kafkas Onkel A Fred Löwy aus Madrid
[Briefkopf der spanischen Eisenbahngesellschaft
Lieber Franz und liebes Frl. Felice.
Euer herzlicher, gemeinsamer Brief ohne Datum (die Glücklichen zählen
nicht die Tage) hat mich freudigst überrascht; er klingt wieein Liebes-Duo
und nicht als Brief sondern als Musik werde ich ihn aufbewahren.
Ich wiederhole Euch meine innigste Gratulazion für Euer gegenwärtiges
und meine herzlichsten Wünsche für Euer zukünftiges Glück.
Möget Ihr nie vergessen, dass jeder seines Glückes eigener
Schmied ist.
Wie gerne hätte ich Euern Wunsch erfüllt, Eurer baldigen Verlobung
in Berlin beizuwohnen, doch ist dies leider unausführbar. Je näher
der Zeitpunkt meiner Urlaubsreise anrückt, desto mehr Schwierigkeiten
stellen sich entgegen und jetzt sehe ich schon voraus, dass ich frühestens
erst am 6. Juni von hier fortkomme; mit der Reisedauer und einigen Tagen
Aufenthalt in Paris, der absolut nothwendig ist und Ihr seht, dass
ich vor dein 15. Juni nicht in Prag sein kann. Macht nur keine böse
Miene, in's Unvermeidliche muß man sich mit Anmuth schicken.
Besten Dank für die gute Meinung, die Du, meine liebe "neue"
Nichte, mich betreffend hast; doch bist Du in dieser Beziehung viel nachsichtiger
als unser Franz, der so manches an mir zu kritisieren findet. Doch bin
ich ihm darob gar nicht böse, denn ich bin nicht ohne Fehler - ganz
im Gegentheil - und Du wirst's auch schon merken.
Ich umarme Euch beide von Herzen und bleibe Euer treuer, alter und neuer
Onkel
Alfred
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at