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An Felice Bauer
Ich binde mich insoferne, als ich diesen Brief morgen an Dich absenden
will, gleichgültig dagegen, was in dem Brief steht, den ich morgen
von Dir bekomme. Bekomme ich keinen Brief, dann schicke ich allerdings
auch diesen nicht.
Das, was ich sagen will, ist vielleicht veranlaßt, aber durchaus
nicht verursacht, weder durch Dein Schweigen über die Reise meiner
Schwester, noch durch Dein sonstiges augenblickliches Schweigen, noch endlich
durch manches in Deinen letzten Briefen. Insbesondere die Reise meiner
Schwester ist eine Geringfügigkeit, die sich von Deiner Seite aus
durch ein einfaches aber sofortiges Nein vorzüglich hätte erledigen
lassen. Vor allem ist aber das, was ich sagen will, insoferne von alledem
unabhängig, weil es über das alles hinweg für uns allgemeine
Geltung hat.
Ich bin, wenn ich hier allein an meinem Schreibtisch sitze, natürlich
unabhängiger von Dir, als wenn ich bei Dir bin. Was ich hier sage,
ist nicht etwa freier, nicht etwa wahrheitsgemäßer gesagt, aber
es hat zumindest die gleiche Geltung wie das, was ich in jenem abhängigen
Zustand sage. Wahr ist beides, wahr, soweit es in meinen Kräften steht.
Wenn Dir daran liegt-und es muß Dir daran liegen-, über die
Dich betreffenden Gedankengänge meiner selbständigen Verfassung
im klaren zu sein, dann wirst Du Dir, soweit ich mich erinnere, diese Klarheit
am besten aus dem Brief verschaffen, den ich Dir unmittelbar
nach meiner vorletzten Berliner Reise geschrieben habe [1]. Vielleicht
hast Du ihn und findest ihn. Ich will nicht wiederholen, was dort stand,
und kann es auch nicht. Jedenfalls bildet das dort Gesagte die letzte,
von keiner Seite widerrufene Grundlage unseres Verhältnisses.
Ich weiß, sie ist nicht ganz fest, zumindest von Dir nicht ausdrücklich
anerkannt, das bildet eben meine Sorge. Wir mögen uns jetzt fest bei
den Händen halten, vielleicht, aber der Boden unter uns ist nicht
fest und verschiebt sich ununterbrochen und gesetzlos. Ob die Festigkeit
des Bei-den-Händen-Haltens dies auszugleichen imstande ist, das weiß
ich zeitweilig nicht. An mir soll es jedenfalls nicht fehlen.
dem Brief: Dieser Brief, wahrscheinlich bald nach
dem 1. März 1914 geschrieben, ist nicht erhalten.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at