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An Grete Bloch
Keinen Baldriantee, liebes Fräulein Grete, bitte nicht. Oberster Satz
der Naturheilkunde: "Alles, was schlecht ist, ist wirklich schlecht."
Schlechter Schlaf ist zwar auch schlecht und das Wachsein nach schlechtem
Schlaf noch schlechter (so ist es fast Tag für Tag), aber man hat
wenigstens im Augenblick keine eigentliche Verantwortung dafür, man
hat es bekommen und trägt es. Aber mit Bewußtsein Baldriantee
zu trinken, womöglich während des Trinkens in die Tasse schauen
mit der doppelten Hoffnung, dass sie bald leer sein wird und dass
es etwas helfen wird, das ist doch menschenunwürdig.
Ich schlafe doch nicht deshalb schlecht, weil ich zu wenig Baldriantee
im Leib habe, es gibt 100 Gründe dafür, warum ich schlecht schlafe,
aber dieser eine Grund trifft gewiß nicht zu.
Schon letzthin wollte ich es Ihnen schreiben, habe aber daran vergessen.
Denken Sie, ich habe zufällig, als F. hier war, herausgefunden, welches
der Hauptgrund meines alten Verdachtes gegen Sie gewesen ist. (Übrigens
kann jener Verdacht durchaus nichts Schlechtes gewesen sein, da er der
Anfang einer für mich so guten Sache war.) Dieser Hauptgrund war Ihr
Pelzwerk. Ich habe es damals nicht gewußt. Ich habe Ihnen doch schon
gesagt, dass ich Sie mir entsprechend dem Begriffsinhalt, den Geschäftstüchtigkeit
für mich hat, falsch vorgestellt hatte, ich erwartete, ein großes,
starkes, älteres Mädchen zu treffen. Nichts stimmte nun, so hätte
sich ja meine Phantasievorstellung mit der Wirklichkeit ausgleichen können.
Daran hinderte mich aber hauptsächlich, wie ich jetzt weiß,
Ihr Pelzwerk. Eine Boa war es nicht, ich glaube, man nennt dieses Kleidungsstück
Stola oder ähnlich. Es paßte Ihnen nicht oder vielmehr ich merkte
nicht, dass es Ihnen nicht paßte, es gefiel mir bloß nicht.
Dabei war es im ersten Anblick so auffallend für mich dort im Eingang
des Hotels. Auch habe ich seit jeher gegen diese Art der Pelzbehandlung
(Ausbreiten des Pelzes und unten Seidenfütterung) einen entschiedenen
Widerwillen. Vielleicht spielt hierbei irgendein Gedanke daran mit, dass
nomadenhafte Jäger die Felle so tragen dürfen, allerdings ohne
sie mit Seide zu füttern. Auch ist für mich damit eine Vorstellung
von Ärmlichkeit und Unechtheit verbunden, dass bei diesem Kleidungsstück
oben Pelz und unten nur Seide ist, trotzdem ich natürlich weiß,
dass das Ganze sehr kostbar sein kann und dass es überhaupt
nicht möglich ist, in dieser Form oben und unten Pelz zu haben. Aber
schon in dieser flächenhaften Behandlung des Pelzes liegt für
mich etwas Widerliches, der Anblick dieses Plattgedrückten ist mir
peinlich, hat mich schon in frühem Jahren an meinen Schwestern viel
geplagt. - Und diese Vorstellung Ihres Pelzes hat sich mir lange nicht
von der Vorstellung Ihrer Person losgelöst. Immer wieder sah ich Sie
in der Zeit, da wir einander noch nicht schrieben, von diesem Pelz umwickelt,
Sie spielten mit den Enden (seine Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit
machte mir ihn noch ärger), Sie hielten ein Ende vor den Mund wegen
des Nebels. Ich weiß noch, wie ich aufatmete, als ich Sie auf dem
Bahnhof in einem schönen Reisemantel, endlich ohne Pelz, förmlich
freier, reiner, heller sah. Es war aber schon zu spät: - Heute allerdings
dürften Sie von 500 solchen Pelzen umwickelt sein und ich getraute
mich, Sie aus allen zu befreien.
Franz K.
[Auf der ersten Seite unten] Ich bin aus verschiedenen Gründen, über
die ich Ihnen noch schreiben werde, sehr begierig auf den Eindruck, den
der "Kampf" auf Sie machen wird. Wollten Sie nicht auch Dr.
Weiß paar Zeilen schreiben?
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at