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An Grete Bloch

17. V. 14
 


Liebes Fräulein Grete, so schlimm ist also das geworden, das ich gestern noch für vorübergehend angesehen habe. Sie liegen, sind zuhause? Wie wird die Sache behandelt? Natürlich mit Schmerzen? Die Medicin versteht es ja nicht anders, als Schmerzen mit Schmerzen zu behandeln, das heißt dann "die Krankheit bekämpft" haben.

Ihren Brief bekam ich erst heute, gestern hatten wir Feiertag, die Post wurde nur einmal ausgetragen, ich hätte Ihnen sonst natürlich das Manuscript schon geschickt. Nun schicke ich es also morgen. Mit Zweifeln allerdings, ob die Schmerzen und der Roman gegenseitig zu einander passen werden. Aber es ist ja schrecklich, den Mund voll Schmerzen haben und Stunde für Stunde so hinbringen zu müssen. Kommen die 2 Freundinnen zu Ihnen und ist in Anbetracht Ihres Zustandes das Wohnungsprovisorium wieder beseitigt?

Mein Chef ist jetzt auf 14 Tage nach Wien zu einer Enquete gefahren, ich wollte ihm Grüße für Sie auf den Rücken schreiben und ihn sowohl durch die Biber- als auch durch die Glasergasse einige Male am Tage marschieren lassen. Jetzt wäre es nutzlos gewesen, denn Sie sind zuhause und nur der (in diesem Geschlecht werde ich keine Sicherheit bekommen, ich kenne den Ausdruck auch nur von Ihnen) Trampel hätte Ihnen erzählen können, dass unten auf der Gasse ein Mann mit Grüßen für Sie auf dem Rücken herumwandert.

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Es ist spät, denken Sie, ich habe heute den ganzen Nachmittag seit langer Zeit zum erstenmal geschlafen, besser als seit 30o Nächten. In den Nächten schlafe ich nämlich schändlich schlecht.

Zu dem Manuscript will ich nur noch sagen (nicht Ihnen gegenüber, denn das wäre nicht nötig, aber um dem Dr. Weiß gegenüber meine Pflicht erfüllt zu haben), Sie sollen es niemandem borgen.

Herzliche Grüße und so rasche Besserung aller Leiden, wie sie noch niemand erlebt hat!

Ihr FranzK




Feiertag: St. Nepomukstag, 16. Mai. St. Nepomuk ist der Schutzheilige von Böhmen.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at