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An Grete Bloch

21.IV.14
 


Liebes Fräulein Grete, ich verstehe nicht ganz, was Sie mit der Beschreibung Ihres allgemeinen Verhaltens zu Menschen meinen. Es ist ebenso bestimmt wie allgemein gesagt, kann aber weder für das Allgemeine noch für mich passen, paßt also wieder nur auf einen ganz besondern Fall, der Ihren armen unruhigen Kopf nicht läßt und von dem ich nichts oder zu wenig weiß. Mir gegenüber stimmt gar nichts davon, was Sie sagen. Sie haben sich mir gegenüber so richtig und vor allem so unbeirrt, durch sich und mich unbeirrt verhalten, als wären Sie nicht ein anderer Mensch sondern mein eigenes mit selbständigem und gutem und liebenswertem Leben begabtes Gewissen. Glauben Sie es nur! Vielleicht täuschen Sie sich im allgemeinen auch über Ihr Wesen. Vielleicht sehen Sie zu sehr von sich ab, sind zu gut, zu heldenhaft. Es sieht manchmal so aus. Es wird nicht wenige Menschen geben, die Ihnen dankbar sein müssen. Stecken die in der dritten Kategorie Ihrer Einteilung? Dann werde ich mich hüten, dankbar zu sein.

Es war kein "scharfes Abrechnen" in meinem letzten Brief, das war es gewiß nicht, es wollte nur ein Festhalten und Drücken Ihrer Hand sein, nichts sonst. Sie wissen es auch. Die mangelnde Eindeutigkeit Ihres Verhältnisses zu F. ist nicht Ihre Schuld, vorausgesetzt, dass diese Eindeutigkeit überhaupt fehlt und nicht bloß für meine gleichzeitig blöden und überwachen Augen.

Haben Sie auf dem Semmering sich wegen Berlin schon entschlossen? Klar und ohne Verzweiflung? Und werden Sie also nicht nach Budapest fahren? Und am 2. Mai in Prag sein? Gmünd wäre viel besser, ich habe F. davon noch nicht geschrieben. Schwierigkeiten hätte es, F. bleibt nur wenige Tage, und der Tag in Gmünd entfiele als Besuchstag, übernachten müßte man auch, die Mutter müßte man in Prag lassen und ich hätte eine neue unheimliche Narrheit ausgeführt, die Fahrt könnte doch nur Sonntag gemacht werden, also gerade an dem Tag, an dem meine Eltern vollständig freie Zeit haben - immerhin, es wäre schön und frei in Gmünd, und zumindest bis zum letzten Augenblick überlegenswert bleibt es.

Ob Sie sich auf die "Geschichte" freuen dürfen? Ich weiß nicht, der "Heizer" hat Ihnen nicht gefallen. Jedenfalls, die "Geschichte" freut sich auf Sie, daran ist kein Zweifel. Übrigens heißt die Heldin Grete und macht Ihnen wenigstens im ersten Teil keine Unehre. Später allerdings, als die Plage zu groß wird, läßt sie ab und fängt ein selbständiges Leben an, verläßt den, der sie braucht. Eine alte Geschichte übrigens, mehr als ein Jahr alt, damals wußte ich den Namen Grete noch nicht zu schätzen, lernte es erst im Laufe der Geschichte.

Herzlichste Grüße (die Adjektiva müssen hinreichen, man schickt sie doch nicht ins Blaue, nicht die Adjektiva müssen richtig sein, sondern der Mensch muß es sein, dem man sie schickt)


Ihres FranzK.



Geschichte: Die Verwandlung.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at