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An Grete Bloch
Liebes Fräulein Grete, ich verstehe nicht ganz, was Sie mit der Beschreibung
Ihres allgemeinen Verhaltens zu Menschen meinen. Es ist ebenso bestimmt
wie allgemein gesagt, kann aber weder für das Allgemeine noch für
mich passen, paßt also wieder nur auf einen ganz besondern Fall,
der Ihren armen unruhigen Kopf nicht läßt und von dem ich nichts
oder zu wenig weiß. Mir gegenüber stimmt gar nichts davon, was
Sie sagen. Sie haben sich mir gegenüber so richtig und vor allem so
unbeirrt, durch sich und mich unbeirrt verhalten, als wären Sie nicht
ein anderer Mensch sondern mein eigenes mit selbständigem und gutem
und liebenswertem Leben begabtes Gewissen. Glauben Sie es nur! Vielleicht
täuschen Sie sich im allgemeinen auch über Ihr Wesen. Vielleicht
sehen Sie zu sehr von sich ab, sind zu gut, zu heldenhaft. Es sieht manchmal
so aus. Es wird nicht wenige Menschen geben, die Ihnen dankbar sein müssen.
Stecken die in der dritten Kategorie Ihrer Einteilung? Dann werde ich mich
hüten, dankbar zu sein.
Es war kein "scharfes Abrechnen" in meinem letzten Brief, das
war es gewiß nicht, es wollte nur ein Festhalten und Drücken
Ihrer Hand sein, nichts sonst. Sie wissen es auch. Die mangelnde Eindeutigkeit
Ihres Verhältnisses zu F. ist nicht Ihre Schuld, vorausgesetzt, dass
diese Eindeutigkeit überhaupt fehlt und nicht bloß für
meine gleichzeitig blöden und überwachen Augen.
Haben Sie auf dem Semmering sich wegen Berlin schon entschlossen? Klar
und ohne Verzweiflung? Und werden Sie also nicht nach Budapest fahren?
Und am 2. Mai in Prag sein? Gmünd wäre viel besser, ich habe
F. davon noch nicht geschrieben. Schwierigkeiten hätte es, F. bleibt
nur wenige Tage, und der Tag in Gmünd entfiele als Besuchstag, übernachten
müßte man auch, die Mutter müßte man in Prag lassen
und ich hätte eine neue unheimliche Narrheit ausgeführt, die
Fahrt könnte doch nur Sonntag gemacht werden, also gerade an dem Tag,
an dem meine Eltern vollständig freie Zeit haben - immerhin, es wäre
schön und frei in Gmünd, und zumindest bis zum letzten Augenblick
überlegenswert bleibt es.
Ob Sie sich auf die "Geschichte" freuen dürfen?
Ich weiß nicht, der "Heizer" hat Ihnen nicht gefallen.
Jedenfalls, die "Geschichte" freut sich auf Sie, daran ist
kein Zweifel. Übrigens heißt die Heldin Grete und macht Ihnen
wenigstens im ersten Teil keine Unehre. Später allerdings, als die
Plage zu groß wird, läßt sie ab und fängt ein selbständiges
Leben an, verläßt den, der sie braucht. Eine alte Geschichte
übrigens, mehr als ein Jahr alt, damals wußte ich den Namen
Grete noch nicht zu schätzen, lernte es erst im Laufe der Geschichte.
Herzlichste Grüße (die Adjektiva müssen hinreichen, man
schickt sie doch nicht ins Blaue, nicht die Adjektiva müssen richtig
sein, sondern der Mensch muß es sein, dem man sie schickt)
Ihres FranzK.
Geschichte: Die Verwandlung.
Letzte Änderung: 17.4.2009 | werner.haas@univie.ac.at |