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An Felice Bauer
Was für eine Freude, Liebste, auch einmal wegen der Briefe ins Unrecht
gesetzt zu seilt. Gewiß, ich hätte Deiner Mutter schon geschrieben
haben sollen und habe es erst heute getan. Ich hätte auch Deinem Vater
das Buch gleich Dienstag schicken sollen und habe es erst Freitag geschickt.
Aber erstens bin ich gar nicht pünktlich im Briefschreiben (die Briefe
an Dich sind keine Briefe, sondern Winseln und Zähnefletschen), meine
Hand ist schwer und, wenn keine Nachricht von Dir kommt, wie letzthin,
ist diese Hand eben ganz gelähmt und kann nicht einmal das Buch für
Deinen Vater einpacken.
Ob ich mir dessen bewußt bin, dass ich Dir ganz gehöre?
Ich mußte nicht mir dessen bewußt werden, das weiß ich
schon seit 1½ Jahren. Die Verlobung hat daran nichts geändert,
zu festigen war dieses Bewußtsein nicht mehr. Eher denke ich manchmal,
dass Du, F., [Dir] nicht immer ganz klar darüber bist, wie sehr
und in welcher besondern Weise ich Dir gehöre. Aber Geduld, alles
wird klar werden F., in der Elle wird alles klar werden und wir werden
die einigsten Menschen sein. Liebste, liebste F., wären wir schon
so weit! Diese Augenblicksbeziehungen an paar Sonntagen in Berlin, an paar
Tagen in Prag können nicht alles lösen, wenn auch im Kern alles
längst gelöst ist, vielleicht seit meinem ersten Blick in Deine
Augen.
Jeder hat etwas anderes geglaubt, ich habe geglaubt, Du würdest meiner
Mutter antworten und habe darüber vergessen, Deiner Mutter zu schreiben.
Du schreibst, Du müßtest Dich selbst einladen. Wie denn? Hast
Du den Brief meiner Mutter vom letzten Montag nicht bekommen, in dem sie
Dich doch eingeladen hat und gewiß sehr herzlich.
__________
Ein Freund meines Madrider Onkels (Alfred Löwy], der bei der österreichischen
Botschaft in Madrid angestellt ist, war hier und ich bin mit ihm ein wenig
spazieren gewesen. Merkwürdig: jetzt ist schon spät, wir sind
viel herumgegangen, haben auch Ottla und eine Cousine mitgehabt, haben
noch andere Leute getroffen und jetzt, da ich mich nach diesem für
mich ungewöhnlichen Unternehmen hinsetze (in den letzten Jahren bin
ich wohl bei Tag nur allein oder mit Felix, dem andern Felix spazierengegangen),
da ich mich also hinsetze, um Dir zu schreiben, merke ich, dass ich
nicht im geringsten umdenken muß, sondern während des ganzen
Spaziergangs, in der Elektrischen, im Baumgarten, am Teich, bei der Musik,
beim Butterbrotessen (sogar einen Bissen Butterbrot am Nachmittag habe
ich gegessen, eine Monstrosität hinter der andern!), auf dem Nachhauseweg
immer nur Dich, immer nur Dich im Kopfe hatte. Im Geiste bin ich mit Dir
vereinigt in einer Urilöslichkeit, an die kein Rabbinersegen von der
Ferne heranreicht.
In die Zeitung gebe ich die Anzeige erst morgen für Dienstag. Mein
Direktor kommt morgen von einer Reise zurück und ich wollte nicht,
dass die Anzeige früher in der Zeitung steht, ehe ich es ihm
privat gesagt habe. Mittwoch bekommst Du die Zeitung. Natürlich wissen
schon fast alle davon, die es angeht. Was haben denn Deine Freunde und
Bekannten gesagt, haben es viele dem Friseur nachgesprochen?-Und im übrigen-so
wird jeder Brief schließen - glaube ich, dass Du sehr bald kommen
solltest. Wann denn, F., wann denn?
Dein Franz
Über die Kopfschmerzen bitte schreib mir gleich!
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at