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An Grete Bloch
Liebes Fräulein Grete, will ich den Brief noch heute einwerfen, bleiben
mir nur wenige Minuten. Von Freitag her haben Sie noch einen Brief im Bureau.
Freitag selbst habe ich nicht geschrieben, weil ich zu zerstreut war. Der
heutige Tag sollte nämlich entscheidend sein. Gut, er war entscheidend.
Nach einer Woche nutzlosen Wartens hatte ich heute an einem Tag - ich rechne
zusammen - von Berlin: 3 Telegramme, einen telephonischen Anruf und einen
Expressbrief. Ich war mittag auch schon fast auf dem Weg zum Bahnhof.
Das Resultat alles dessen ist, dass ich heute einen langen, vielleicht,
wahrscheinlich, den letzten Brief an F. geschrieben habe. Die Klarheit
des heutigen Briefes von F. war fast vollständig. Aber davon reden
wir besser bei unserem nächsten Wiedersehn. Niederschreiben läßt
es sich ganz und gar nicht. Ihre kleine Karte hat mich mehr gefreut als
alles was ich von Berlin bekommen habe. Sie sind - jetzt sage ich eine ungeheuere
Dummheit oder vielmehr: dumm ist nicht, was ich sage, sondern dass
ich es sage - Sie sind also das beste, liebste und bravste Geschöpf.
Herzlichste Grüße
Auch F. ist es, gewiß, das wird meine ewige Meinung bleiben und loskommen
werde ich von ihr - das ist ebenso gewiß - niemals. Aber sie kann mir
gegenüber eben nicht anders und wir müssen uns fügen. Vielleicht
ist es die gleiche Gewalt die mich an ihr festhält und sie von nur
abhält. Da gibt es wirklich keine Hilfe.
Ihres
FranzK
20 III 14
Die unterschiedliche Textfarbe wurde auf Grund der Ausgabe "Geteilte Post: 28 Briefe an Grete Bloch. Marbach am Neckar, 2011" gewählt. Laut dem Herausgeber Hans-Gerd Koch: "Aus zwölf dieser Briefe
trennt sie jene Teile heraus, die persönliche Dinge betreffen oder falsche Rückschlüsse auf ihre Beziehung zu Kafka zulassen, und behält sie zurück. (Beim Abdruck im vorliegenden Band wurden diese fehlenden Teile
in grauer Schrift ergänzt.)" Um die Lesbarkeit zu erleichtern, wurde für diese Webseite anstelle von grau eine blaue Schriftfarbe verwendet.
In der Ausgabe "Briefe an Felice ..." von 2015 schreibt Koch dagegen: "Den letzten größeren Teil dieses Briefes hat Grete
Boch später ihrer Freundin Felice Bauer übergeben ..., den oberen Teil des ersten Blattes mit den Texpassagen "Liebes
Fräulein ... Der heutige Tag sollte nämlich ent-" und "ganz und gar ... bravste Geschöpf" (S. 578) behielt sie zurück.
Letzte Änderung: 17.2.2016 | werner.haas@univie.ac.at |