Voriger Eintrag | Jahresübersicht | Indexseite | Nächster Eintrag |
An Grete Bloch
Liebes Fräulein Grete, nur keine Rache, nur das nicht! Ich schreibe
schon ins Bureau. Daß ich Ihnen lieber in die Wohnung geschrieben
habe, hat verschiedene Gründe gehabt, unter anderem den, dass
ich auf den ersten Bureaubrief keine Antwort bekommen und daraus geschlossen
habe, dass die Briefe im Bureau in schlechterer Stimmung gelesen werden,
was ja gewiß wahr ist. Außerdem aber habe ich Ihnen im ersten
Bureaubrief mit solcher Energie (übrigens ganz verpuffter Energie)
geraten, aus Wien wegzugehn, dass ich nachträglich Angst bekam
für den Fall, als der Brief zufälligerweise von jemand andern
geöffnet worden sein sollte, für eine gegnerische Firma gehalten
zu werden, die, was ja nicht so unwahrscheinlich aussehn würde, nach
Frl. Bloch schnappen will.
dass Sie meine Annahme rücksichtlich F.'s bestätigen, ermutigt
mich zum Verständnis manches Unverständlichen. Allerdings kann
sich nach dem, was Sie sagen, durch die Abreise des Bruders, wenn sie nicht
weitere Folgen hat, in der Lage der Familie nicht viel verschlimmert haben,
da er sie ja nicht viel verbessert hat. Daß die Reisekosten F. abhalten
würden, nach Dresden zu fahren, ist allerdings eine mir zu freundlich
gesinnte Erklärung, nein, liebes Fräulein Grete, daran glauben
Sie auch nicht im Ernst. Zumindest können die Reisekosten F, nicht
abhalten, mir zu schreiben, dass sie nicht kommen kann, und tatsächlich
sind schon nicht ein, nicht zwei, sondern bald schon 3 Briefe unbeantwortet.
Auch die Mutter ist doch kein ernstliches Hindernis, F. hat selbst öfters
von der Möglichkeit einer Zusammenkunft in Dresden gesprochen. Nein,
nein, das ist es nicht.
Wohl aber liegt mir jetzt sehr viel daran, mit F. zusammenzukommen, um
- F.'s Brief, von dem ich Ihnen geschrieben habe, gibt mir ein viel besseres
Hilfsmittel dazu, als ich es früher hatte - möglichste Klarheit
und Entschlußfreiheit für mich zu bekommen. Darum habe ich ihr
vor einer Stunde telegraphiert, ob sie damit einverstanden ist, dass
ich Samstag nach Berlin komme. Durch Telegramme läßt sie sich
zu Telegrammen doch noch am leichtesten zwingen.
Fahre ich aber nicht nach Berlin und müssen Sie nicht nach Budapest,
dann sind wir - nicht wahr? - in Gmünd beisammen. Nicht etwa von Ihnen
aus gesehn, liebes Fräulein Grete, wohl aber von ganz oben aus gesehn,
verdiene ich den Sonntag in Gmünd unbedingt. Sehen Sie nur in der
Beilage, wie man für später für uns sorgen
will.
War es ein wichtiger Besuch, der Besuch vom Montag? Hat er Sie ein wenig
erheitert? Um die Zeit, als Sie den Brief schrieben, dürfte ich etwa
aus dem Bett aufgestanden sein, um ein Fenster zu schließen, denn
von dem Sturmwind zitterten mir alle Zimmerwände. Sie weckten mich
nicht, denn ich schlief nicht, aber ich wollte Ruhe haben. Dann schlug
nur noch irgendeine unerreichbar ferne offene Tür auf dem Gang oder
sonstwo oder gar nur im Halbschlaf regelmäßig krachend auf und
zu.
Sie schreiben nichts mehr von den Kopfschmerzen; bedeutet das, dass
sie durch strenge vegetarische Diät beseitigt sind? Dadurch machen
Sie aber eine ungemeine Freude Ihrem unter selten aufhörenden Kopfschmerzen
leidenden Naturheilmenschen
Franz K.
Beilage: Beilage nicht vorhanden.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at