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An Grete Bloch
Liebes Fräulein, so häßliche Worte wie "mitteilungsunwürdige
Zustände" dürfen Sie mir nicht wegnehmen, die gehören
mir und haben in Ihren Briefen nichts zu tun. Im Miterleben der Zustände
eines andern (nicht im Mitgefühl; vor den Menschen macht das keinen
Unterschied, erst vor Gott) glaube ich manchmal bis an die Grenzen menschlicher
Kraft kommen zu können; nennen Sie nicht "mitteilungsunwürdig"
die Zustände eines Menschen, der mir sehr nahe geht. Sie sind weder
unwürdig vom Erzähler aus, noch ist der Zuhörer ihrer unwürdig,
trotzdem man sonst nicht genug Schlechtes über ihn sagen kann.
Vielleicht ist es notwendig, in der Aufrichtigkeit hier noch ein Stück
weiterzugehn. Ich schrieb Ihnen den ersten Brief nur F.'s wegen, daran
ist ja gar kein Zweifel. Ich wollte Hilfe und war dabei roh wie ein unglückliches
Kind. Daher kommt es auch, dass Sie sich einmal so große Vorwürfe
wegen meiner Berliner Reise machten. Das sind doch lauter Vorstellungen,
die Ihnen durch meine Briefe aufgedrängt worden sind. "Die Ereignisse
des Monates November" schrieben Sie einmal. Was für Ereignisse
denn? Was für Dinge denn, die sich nicht im Laufe der 1½ Jahre
fast ununterbrochen wiederholt hätten, wie Trommelschläge, deren
Klöppel eben in meinen unglücklichen Händen waren.
Die Briefe aber, in denen ich Sie um Hilfe bat, sind vorüber. Sie
haben getan, was Sie konnten und in Ihrer Güte fast mehr als Sie durften.
Sie ziehn rechts und links das Leid an sich, das in dieser Sache steckt,
Sie haben sich in Prag meine "Nein" gefallen
Wollen Sie also Ihre Briefe an mich so auffassen?
25.II
Das Vorige ist vor 3 oder 4 Tagen geschrieben, ich hatte den Brief auf
eine endlose Mitteilung angelegt, mußte dann aufhören und so
blieb er, wie es angefangenen Sachen geht, einige Tage liegen. Heute hätte
ich ihn jedenfalls beendet.
Nun sehen Sie, liebes Fräulein, wie merkwürdig das ist. F.'s
Brief und mein Brief sind vielleicht am gleichen Tag geschrieben. Vergleichen
II
Sie tun nicht schlecht, dass Sie mir die Sätze aus F.'s Brief
schreiben, sondern Sie tun sehr gut, sehr lieb und sehr verständig.
Schlecht ist nicht das, was Sie tun, schlecht ist nur Ihre Lage, in der
Sie in dieser Sache augenblicklich durch F.'s ebenso wie durch meine Schuld
sind. F.'s Brief tat mir zuerst sehr leid, nicht so sehr seines Inhalts
wegen, als dass er gerade jetzt kommen mußte. Hätte ich
aber nichts von ihm erfahren, wäre es allerdings für mich noch
viel peinlicher gewesen. Freilich kommt es auf Peinlichkeit nicht mehr
an.
Heute mache ich Schluß, trotzdem ich glaube, dass ich Ihnen
eine Menge zu sagen habe. Nächstens. Ich bin jetzt, 7 Uhr abends,
noch im Bureau und habe mir in Voraussicht dessen, dass ich wenig
arbeiten werde, den angefangenen Brief mitgenommen. Ich werde Ihnen bald
wieder schreiben. F. erfährt natürlich von Ihrem Brief nichts.
Was hat es für einen Sinn, im halbbeleuchteten Zimmer zu schlafen?
Solche Versuche sind nicht recht. Wozu das Licht, da Sie doch immerhin
schlafen? Muß das Licht nicht Ihren Schlaf stören oder zumindest
schlecht beeinflussen? Besonders, da es Gaslicht zu sein scheint. Und wie
kann denn dann das Fenster während der Nacht ein wenig offenbleiben,
wie es doch sein maß? Ich persönlich würde mich mit solchen
Fragen nicht aufdrängen, das tut nur der Naturheilkundige in mir.
Herzliche Grüße F.K.
Die unterschiedliche Textfarbe wurde auf Grund der Ausgabe "Geteilte Post: 28 Briefe an Grete Bloch. Marbach am Neckar, 2011" gewählt. Laut dem Herausgeber Hans-Gerd Koch: "Aus zwölf dieser Briefe trennt sie jene Teile heraus, die persönliche Dinge betreffen oder falsche Rückschlüsse auf ihre Beziehung zu Kafka zulassen, und behält sie zurück. (Beim Abdruck im vorliegenden Band wurden diese fehlenden Teile in grauer Schrift ergänzt.)" Um die Lesbarkeit zu erleichtern, wurde für diese Webseite anstelle von grau eine blaue Schriftfarbe verwendet.
Letzte Änderung: 10.2.2016 | werner.haas@univie.ac.at |