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An Grete Bloch
Liebes Fräulein, so wird es immer sein (falls Sie mir entgegen Ihrer
sonstigen Pünktlichkeit nicht antworten oder falls Sie nicht von vornherein
festsetzen, dass Sie mir erst in 1 oder 2 Wochen antworten wollen,
womit ich mich dann allerdings zufrieden geben müßte), gleich
maß ich mahnen oder wenigstens erinnern, denn ich bin leider dazu
erzogen worden, hinter jedem Schweigen einen Haken zu fürchten, der
mir an den Hals gehe könnte. Hoffentlich ist es nichts derartiges,
sondern bloß Ihre viele Arbeit, was schon allerdings schlimm genug
wäre oder was schon viel besser wäre, die Gräfin Thürheim
[Mein Leben hält Sie Abend für Abend.
Mir ist übrigens seit meinem letzten Brief ein eigentümliches
Glück widerfahren, das ich Ihnen, die ich mit meinem Leid nicht verschone,
auch nicht verschweigen darf. Mein letzter näherer, unverheirateter
oder unverlobter Freund [Felix Weltsch] hat sich verlobt; dass es
zu dieser Verlobung kommen wird, wußte ich seit 3 Jahren (es gehörte
für den Unbeteiligten kein großer Scharfsinn dazu), er und sie
aber erst seit 14 Tagen. Dadurch verliere ich allerdings gewissermaßen
einen Freund, denn ein verheirateter ist keiner. Was man ihm sagt, erfährt
stillschweigend oder ausdrücklich auch seine Frau, und es gibt vielleicht
keine Frau, in deren Kopf sich bei diesem Übergang nicht alles verzerrte.
Überdies kann man, selbst wenn dieses nicht wäre, gar nicht rein
an ihn mehr denken oder innerlich ihn tröstend und helfend, ja nicht
einmal mit den Möglichkeiten des Trostes und der Hilfe wirken lassen,
denn jetzt hat man, wie immer es auch sei, sich gegenüber nur eine
Gemeinschaft. Aber abgesehen davon, dass ich ihm natürlich alles
Gute wünsche, hat es auch für mich noch eine Glückseite,
wenigstens jetzt. Wir haben nämlich, trotzdem wir doch nicht so übermäßig
alt sind, er ist sogar um 1½ Jahr jünger als ich, eine Art
junggesellenhafter Brüderschaft gebildet, die wenigstens für
mein Gefühl geradezu gespensterhaft war in manchen Augenblicken. Jetzt
ist das gelöst, ich bin frei, für sich kann jeder sein wie er
will und ist; in ein solches vereinzeltes Gebilde kann niemand, kaum sein
Besitzer, bis in den Grund hineinschauen, um sich dort zu entsetzen, während
eine Gruppe immerhin leichter zugänglich, beurteilungsfähig ist.
Beglückwünschen Sie mich, und wäre es auch nur eine maskierte
Bitte um einen Brief. Wie beurteilen Sie F Karte?
Herzliche Grüße F. K.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at