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An Felice Bauer

9.II.14
 


Trotz allem, F., trotz allem (und es ist viel, dieses "alles") - als ich heute Deine Karte bekam, war es wie am ersten Tag. In dieser vom Diener als etwas ganz Nebensächliches mir zugesteckten Karte sind wieder einmal von Dir an mich gerichtete Worte, eher gute als böse, wenn auch deutbare Worte, jedenfalls Worte von Dir an mich, Du zeigst Dich mir wenigstens, willst doch etwas mit mir zu tun haben, sei der Anlaß auch welcher es wolle-mir war elend vor Glück, als ich es las, der Apfel, den ich gerade essen wollte, wurde nicht etwa hingelegt, sondern fiel mir einfach aus der Hand. Und als ich dann später, viel später zum Diktieren kam, ging es mir gleich, sobald ich mich an das Diktieren verlieren wollte, durch den Kopf: "Was ist denn? Warum bist Du ganz anders?", und gleich wußte ich, warum ich ganz anders war.

Es ist ja nichts geschehn; Du schreibst nur, aber wer weiß, was es bedeutet. Ist es auch nur so richtig, dass Du diese Karte schreiben mußtest, während Du die letzten Briefe kaum schreiben konntest?

Ist es so? Nein, ganz genau so ist es nicht, kann es auch nicht sein. Aber wie es auch sei, F., zieh die Hand nicht zurück, die Du mir, wenn auch nur schwach, so doch immerhin reichst. Laß sie mir, so wie Du sie mir einmal schon gegeben hast.

Aber jetzt fällt mir wieder Dein letzter Brief ein und das "Mehrgewichte. Darf ich danach so bitten und Dich aus einer Lage, in der Dir wohl, natürlich verhältnismäßig wohl ist (davon scheine ich Dich doch endlich überzeugt zu haben, wenn ich nicht vielmehr eine andere Überzeugung Dir genommen habe), zu mir herüberzuziehn versuchen. Aber auch davon ist jetzt nicht Zeit zu reden.

Jetzt ist nur Zeit, Dich zu bitten, F., nicht wieder so stumm zu werden, dass man hier in Prag (für mich hängt wirklich Berlin über Prag, wie der Himmel über der Erde) verzweifelt vor Ratlosigkeit wird, hin- und herläuft, nichts sieht, nichts hört und immerfort mit den gleichen Gedanken spielt, von denen zu reden jetzt auch nicht die Zeit ist. Nur darum bitte ich, um nichts sonst. Sag mir offen, was Du denkst, ich werde Dir ebenso antworten. Was ich denke, muß ich Dir nicht sagen, das Beste kennst Du.

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at