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An Felice Bauer
Trotz allem, F., trotz allem (und es ist viel, dieses "alles")
- als ich heute Deine Karte bekam, war es wie am ersten Tag. In dieser
vom Diener als etwas ganz Nebensächliches mir zugesteckten Karte sind
wieder einmal von Dir an mich gerichtete Worte, eher gute als böse,
wenn auch deutbare Worte, jedenfalls Worte von Dir an mich, Du zeigst Dich
mir wenigstens, willst doch etwas mit mir zu tun haben, sei der Anlaß
auch welcher es wolle-mir war elend vor Glück, als ich es las, der
Apfel, den ich gerade essen wollte, wurde nicht etwa hingelegt, sondern
fiel mir einfach aus der Hand. Und als ich dann später, viel später
zum Diktieren kam, ging es mir gleich, sobald ich mich an das Diktieren
verlieren wollte, durch den Kopf: "Was ist denn? Warum bist Du ganz
anders?", und gleich wußte ich, warum ich ganz anders war.
Es ist ja nichts geschehn; Du schreibst nur, aber wer weiß, was es
bedeutet. Ist es auch nur so richtig, dass Du diese Karte schreiben
mußtest, während Du die letzten Briefe kaum schreiben konntest?
Ist es so? Nein, ganz genau so ist es nicht, kann es auch nicht sein. Aber
wie es auch sei, F., zieh die Hand nicht zurück, die Du mir, wenn
auch nur schwach, so doch immerhin reichst. Laß sie mir, so wie Du
sie mir einmal schon gegeben hast.
Aber jetzt fällt mir wieder Dein letzter Brief ein und das "Mehrgewichte.
Darf ich danach so bitten und Dich aus einer Lage, in der Dir wohl, natürlich
verhältnismäßig wohl ist (davon scheine ich Dich doch endlich
überzeugt zu haben, wenn ich nicht vielmehr eine andere Überzeugung
Dir genommen habe), zu mir herüberzuziehn versuchen. Aber auch davon
ist jetzt nicht Zeit zu reden.
Jetzt ist nur Zeit, Dich zu bitten, F., nicht wieder so stumm zu werden,
dass man hier in Prag (für mich hängt wirklich Berlin über
Prag, wie der Himmel über der Erde) verzweifelt vor Ratlosigkeit wird,
hin- und herläuft, nichts sieht, nichts hört und immerfort mit
den gleichen Gedanken spielt, von denen zu reden jetzt auch nicht die Zeit
ist. Nur darum bitte ich, um nichts sonst. Sag mir offen, was Du denkst,
ich werde Dir ebenso antworten. Was ich denke, muß ich Dir nicht
sagen, das Beste kennst Du.
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at