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[An Max Brod und Felix Weltsch]

[Ende Juli 1914. Briefkopf: Marielyst Østersøbad]


Lieber Max, lieber Felix,

Spät schreibe ich, nicht wahr? Nun seht, was mir geschehn ist. Ich bin entlobt, war 3 Tage in Berlin, alle waren meine guten Freunde, ich war der gute Freund aller; im übrigen weiß ich genau, dass es so am besten ist und bin also dieser Sache gegenüber, da es eine so klare Notwendigkeit ist, nicht so unruhig wie man glauben könnte. Schlimmer aber steht es mit anderem. Ich war dann in Lübeck, habe in Travemünde gebadet, bekam in Lübeck den Besuch des Dr Weiss, der in dieses dänische Seebad fuhr und bin statt nach Gleschendorf hergefahren. Ein ziemlich öder Strand mit einigen wirklichen eigentümlichen Dänen. Ich habe den scheinbaren Eigensinn, der mich die Verlobung gekostet hat, aufgegeben, esse fast nur Fleisch, dass mir übel wird und ich früh nach schlechten Nächten mit offenem Mund den mißbrauchten und gestraften Körper wie eine fremde Schweinerei in meinem Bette fühle. Erholen werde ich mich hier gar nicht, zerstreuen immerhin. Dr W. ist mit seiner Freundin hier. Samstag nachts komme ich wohl nach Prag.

    Grüßt alle lieben Fraun und Bräute.

Franz        
 


Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.


Dr Weiss: Siehe 1913 Anm. 15.


Gleschendorf: Nördlich von Lübeck am Pönitzer See.


seiner Freundin: Die Schauspielerin Rachel Sanzara.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at