Voriger Eintrag Jahresübersicht | IndexseiteNächster Eintrag

[Tagebuch, 15. Dezember 1913; Montag]

15. (Dezember 1913) Briefe an Dr. Weiß und Onkel Alfred.

Kein Telegramm gekommen.

"Wir Jungen von 1870/71" gelesen. Wieder von den Siegen und begeisterten Scenen mit unterdrücktem Schluchzen gelesen. Vater sein und ruhig mit seinem Sohn reden. Dann darf man aber kein Spielzeughämmerchen an Stelle des Herzens haben.

"Hast Du dem Onkel schon geschrieben?" fragte mich, wie ich mit Bosheit längst erwartete, die Mutter. Sie beobachtete mich schon lange ängstlich, wagte aus verschiedenen Gründen erstens mich nicht zu fragen und zweitens mich nicht vor dem Vater zu fragen und fragte schließlich in ihrer Besorgnis, da sie sah, dass ich weggehn wollte, dennoch. Als ich hinten an ihrem Sessel vorüberkam, sah sie von den Spielkarten auf, wendete mit einer längst vergangenen und irgendwie für den Augenblick aufgelebten zarten Bewegung das Gesicht zu mir und fragte, nur flüchtig aufschauend, schüchtern lächelnd und schon in der Frage, noch ohne jede Antwort, gedemütigt.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at