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[Tagebuch, 1. Juli 1913; Dienstag]

1 VII 13

Der Wunsch nach besinnungsloser Einsamkeit. Nur mir gegenübergestellt sein. Vielleicht werde ich es in Riva haben.

Vorvorgestern mit Weiß, Verfasser der Galeere. Jüdischer Arzt, Jude von der Art, die dem Typus des westeuropäischen Juden am nächsten ist und dem man sich deshalb gleich nahe fühlt. Der ungeheuere Vorteil der Christen, die im allgemeinen Verkehr die gleichen Gefühle der Nähe immerfort haben und genießen z. B. christlicher Tscheche unter christlichen Tschechen.

Das Hochzeitsreisepaar, das aus dem Hotel de Saxe trat. Am Nachmittag. Einwerfen der Karte in den Briefkasten. Zerdrückte Kleider, schlaffer Schritt, trüber lauer Nachmittag. Wenig charakteristische Gesichter für den ersten Blick.

Das Bild der 300 jährigen Romanowfeier in Jaroslawl an der Wolga. Der Car, die Princessinnen verdrießlich in der Sonne stehend nur eine zart, ältlich, schlaff, auf den Sonnenschirm gestützt, blickt vor sich hin. Der Tronfolger auf dem Arm des ungeheueren barhäuptigen Kosaken. - Auf einem andern Bild salutieren in der Ferne längst schon passierte Männer.

Der Millionär auf dem Bild im Kino "Sklaven des Goldes". Ihn festhalten! Die Ruhe, die langsame zielbewußte Bewegung, wenn notwendig rascher Schritt, Zucken des Armes. Reich, verwöhnt, eingelullt, aber wie er aufspringt wie ein Knecht, und das Zimmer in der Waldschenke untersucht in das er eingesperrt worden ist.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at