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Franz Kafka an Kurt Wolff
Sehr geehrter Herr Wolff!
Eben spät abend bekomme ich Ihren so liebenswürdigen Brief. Natürlich
ist es mir auch beim besten Willen unmöglich, bis Sonntag die Manuscripte
in Ihre Hände kommen zu lassen, wenn ich es auch viel leichter ertragen
würde eine unfertige Sache wegzugeben, als auch nur den Anschein aufkommen
zu lassen, dass ich Ihnen nicht gefällig sein will. Ich sehe
zwar nicht ein, auf welche Weise und in welchem Sinn diese Manuscripte
eine Gefälligkeit bedeuten könnten, um so eher sollte ich sie
eben schicken. Das erste Kapitel des Romans werde ich auch tatsächlich
gleich schicken, da es von früher her zum größten Teil
schon abgeschrieben ist; Montag oder Dienstag ist es in Leipzig. Ob es
selbständig veröffentlicht werden kann, weiß ich nicht;
man sieht ihm zwar die 500 nächsten und vollständig mißlungenen
Seiten nicht gerade an, immerhin ist es wohl doch nicht genug abgeschlossen;
es ist ein Fragment und wird es bleiben, diese Zukunft gibt dem Kapitel
die meiste Abgeschlossenheit. Die andere Geschichte, die ich habe, "Die
Verwandlung" ist allerdings noch gar nicht abgeschrieben, denn in
der letzten Zeit hielt mich alles von der Litteratur und von der Lust an
ihr ab. Aber auch diese Geschichte werde ich abschreiben lassen und frühestens
schicken. Für späterhin würden vielleicht diese zwei Stücke
und "Das Urteil" aus der Arcadia ein ganz gutes Buch ergeben,
das "Die Söhne" heißen könnte.
Mit herzlichem Dank für Ihre Freundlichkeit und den besten Wünschen
für Ihre Reise Ihr ergebener
Franz Kafka
Letzte Änderung: 17.7.2019 werner.haas@univie.ac.at