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An Felice Bauer

15. VIII.13
 


Nun aber, Felice, werde ruhig. Es ist Urlaub und Sommer, die Unruhe soll weder im Zimmer noch draußen sein. Ich habe Deinen Eltern das Unumgängliche gesagt; es war nicht leicht, das Notwendige und das Wahrheitsgemäße so zu vereinigen, dass es den Eltern noch lesbar und begreiflich blieb, es ist mir immerhin, wenn auch nur halb gelungen. Jedenfalls wird zwischen uns nicht mehr von Angst und Sorgen gesprochen werden, was davon noch übrig ist, muß zwischen den Zähnen zerbissen werden. Gewiß hatte ich mit meinen Vorwürfen in den letzten Briefen zum größten Teil Unrecht, ich will darüber nicht ausführlich reden, die Vorwürfe kamen aber auch nicht etwa nur aus Kränkung über einzelne Briefstellen, sie kamen aus tieferer Angst. Lassen wir sie jetzt! Ich habe ein Mittel gefunden, Dich mit solchen Dingen nicht mehr zu quälen. Ich schreibe zwar das Unentbehrliche auf, schicke es aber nicht weg, vielleicht kommt einmal eine friedliche Zeit, wo wir es gemeinsam in Ruhe lesen können und ein beruhigender Blick und Händedruck vielleicht, vielleicht alles leichter und rascher beseitigt als ein langsam von Westerland herwandernder Brief. Die letzten Leiden, die ich Dir verursacht habe, Felice, nimm als einen Teil des schon beginnenden Opfers hin, das die Verbindung mit mir für Dich bedeutet. Anderes kann ich nicht sagen. Beziehe es mit in Deine Überlegung und Antwort ein, wenn Deine Eltern Dich über meinen Brief ausfragen werden.

Nun schreibe mir auch nicht mehr soviel. Ein großer Briefverkehr ist ein Zeichen dafür, dass etwas nicht in Ordnung ist. Der Frieden braucht keine Briefe. Dadurch, dass ich Dein Bräutigam vor aller Welt werde, hat sich an sich nichts geändert, immerhin ist es das Zeichen für das Ende jeder nach außen gehenden Wirkung der Zweifel und der Angst. Infolgedessen sind die vielen Briefe nicht mehr nötig, nur äußerste, aufs Haar berechnete Regelmäßigkeit der Briefe ist nötig. Du wirst staunen, was für ein schwacher, wenn auch pünktlicher Briefschreiber aus mir werden wird, wenn ich Bräutigam bin. Es gibt dann immer stärkere Verbindungen, denen gegenüber Briefe lächerlich sind.

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at