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An Felice Bauer
Nun aber, Felice, werde ruhig. Es ist Urlaub und Sommer, die Unruhe soll
weder im Zimmer noch draußen sein. Ich habe Deinen Eltern das Unumgängliche
gesagt; es war nicht leicht, das Notwendige und das Wahrheitsgemäße
so zu vereinigen, dass es den Eltern noch lesbar und begreiflich blieb,
es ist mir immerhin, wenn auch nur halb gelungen. Jedenfalls wird zwischen
uns nicht mehr von Angst und Sorgen gesprochen werden, was davon noch übrig
ist, muß zwischen den Zähnen zerbissen werden. Gewiß hatte
ich mit meinen Vorwürfen in den letzten Briefen zum größten
Teil Unrecht, ich will darüber nicht ausführlich reden, die Vorwürfe
kamen aber auch nicht etwa nur aus Kränkung über einzelne Briefstellen,
sie kamen aus tieferer Angst. Lassen wir sie jetzt! Ich habe ein Mittel
gefunden, Dich mit solchen Dingen nicht mehr zu quälen. Ich schreibe
zwar das Unentbehrliche auf, schicke es aber nicht weg, vielleicht kommt
einmal eine friedliche Zeit, wo wir es gemeinsam in Ruhe lesen können
und ein beruhigender Blick und Händedruck vielleicht, vielleicht alles
leichter und rascher beseitigt als ein langsam von Westerland herwandernder
Brief. Die letzten Leiden, die ich Dir verursacht habe, Felice, nimm als
einen Teil des schon beginnenden Opfers hin, das die Verbindung mit mir
für Dich bedeutet. Anderes kann ich nicht sagen. Beziehe es mit in
Deine Überlegung und Antwort ein, wenn Deine Eltern Dich über
meinen Brief ausfragen werden.
Nun schreibe mir auch nicht mehr soviel. Ein großer Briefverkehr
ist ein Zeichen dafür, dass etwas nicht in Ordnung ist. Der Frieden
braucht keine Briefe. Dadurch, dass ich Dein Bräutigam vor aller
Welt werde, hat sich an sich nichts geändert, immerhin ist es das
Zeichen für das Ende jeder nach außen gehenden Wirkung der Zweifel
und der Angst. Infolgedessen sind die vielen Briefe nicht mehr nötig,
nur äußerste, aufs Haar berechnete Regelmäßigkeit
der Briefe ist nötig. Du wirst staunen, was für ein schwacher,
wenn auch pünktlicher Briefschreiber aus mir werden wird, wenn ich
Bräutigam bin. Es gibt dann immer stärkere Verbindungen, denen
gegenüber Briefe lächerlich sind.
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at