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An Felice Bauer

11. VIII. 13
 


Heute habe ich die Karte aus Kameen bekommen. (Sollte die Karte vom Donnerstag ebenso verloren gegangen sein, wie die aus Hamburg?) Wenn ich die Wahrheit sagen soll, eine solche Karte macht mir eine reinere Freude als die letzten Briefe. Es läßt sich nichts Schlechtes aus ihr herauslesen und, mit Selbsttäuschung, Gutes ahnen. Du hast einen netten Ausflug gemacht, den jemand (wer ist es?) für urentzückend" hält. Du hast ein wenig an mich gedacht und ich könnte, wenn nichts vorhergegangen wäre, ganz zufrieden sein.

Aber auch um augenblickliche Zufriedenheit und erst recht nicht um meine handelt es sich hier, es handelt sich vielmehr um folgendes : Wenn Du das Opfer auf Dich nehmen willst, Felice, meine Frau zu werden - dass es ein Opfer ist, habe ich, der Wahrheit gemäß, bis in alle Einzelheiten zu beweisen mich angestrengt -, dann darfst Du, wenn Du nicht uns beide einem endlosen Unglück ausliefern willst, Deine Neigung zu mir nicht leichtsinnig beurteilen oder gar unbeurteilt lassen. Niemand kann verlangen, dass Dir Dein Gefühl für mich völlig klar ist, wohl aber maßt Du seiner sicher sein. Aber angesichts Deiner letzten Briefe und in Erinnerung an frühere ähnliche Zeiten verzweifle ich daran, diese Sicherheit in Dir zu finden. Irgendwo, eine andere Erklärung habe ich nicht, maß eine Täuschung verborgen liegen, die von Zeit zu Zeit zu wirken aufhört und die Du deshalb auch zumindest ahnen maßt, die Du aber nicht auffindest, weil Du sie aus rätselhaften Gründen nicht suchst. Gerade das aber wäre Deine Pflicht. Ebenso wie es ein kleines, leicht zu beseitigendes Vorurteil, eine bloße Schwäche sein kann, kann es auch etwas sein, das, wie es Dich jetzt nur zu Zeiten von mir abhält, Dich in Zukunft gänzlich von mir abhalten könnte. Oder hält Dich vielleicht nichts von mir ab, wenn Du beispielsweise - es ist nicht das einzige Beispiel - die Frage eines Wiedersehns mit folgenden 3 Sätzen erledigst: "dass ich jetzt nach Prag komme, ist ganz und gar ausgeschlossen. Wieso glaubst Du aber, dass Du vorerst überhaupt nicht nach Berlin kommen könntest? Wie ist es denn mit den Weihnachtsferien?" Und wir sind jetzt im August. - Ich tue hier, Felice, das weiß ich, etwas, was von außen gesehn schrecklich ist. Es ist vielleicht das Schlimmste, was ich Dir getan habe, aber das Notwendigste gleichzeitig. Du willst den Unterton in dem, was Du sagst - halte Dich nicht an das eine Beispiel -, nicht hören, also wiederhole ich es für Dich laut noch einmal.

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at