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An Felice Bauer
Wäre ich doch bei Dir, Felice, und wäre mir die Fähigkeit
gegeben, Dir alles klar zu machen, ja, wäre mir nur die Fähigkeit
gegeben, alles ganz klar zu sehen. Ich bin schuld an allem. So vereinigt
wie jetzt waren wir doch noch nicht, dieses Ja von beiden Seiten hat eine
entsetzliche Macht. Aber was mich hält, ist förmlich ein Befehl
des Himmels, eine nicht zu beschwichtigende Angst, alles, was mir früher
das Wichtigste schien, meine Gesundheit, mein kleines Einkommen, mein jämmerliches
Wesen, alles dieses, das auch eine gewisse Berechtigung hat, verschwindet
neben dieser Angst, ist gar nichts vor ihr, und scheint von ihr nur vorgeschoben
zu sein. Es ist, um ganz offen zu sein (wie ich es vor Dir immer war nach
dem Grad der Selbsterkenntnis des Augenblicks) und um von Dir schließlich
als Irrsinniger erkannt zu werden, die Angst vor der Verbindung
selbst mit dem geliebtesten Menschen, und gerade mit ihm. Wie soll ich
Dir das erklären, was mir so klar ist, dass ich es verdecken
möchte, denn es blendet mich! Und dann ist es natürlich wieder
unklar, wenn ich Deinen lieben vertrauensvollen Brief lese, alles scheint
in bester Ordnung und das Glück scheint uns beide zu erwarten.
Verstehst Du das, Felice, wenn auch nur aus der Ferne? Ich habe das bestimmte
Gefühl, durch die Ehe, durch die Verbindung, durch die auflösung
dieses Nichtigen, das ich bin, zugrundezugehn und nicht allein, sondern
mit meiner Frau und je mehr ich sie liebe, desto schneller und schrecklicher.
Nun sag selbst, was sollen wir tun, denn so nah sind wir einander, dass,
glaube ich, keiner von uns noch allein etwas tun kann, ohne die Bestätigung
des andern. Überlege auch das Nichtgesagte! Frage, ich beantworte
alles. Gott, es ist wirklich allerhöchste Zeit, diese Spannung zu
lösen und gewiß ist niemals ein Mädchen von einem, der
sie liebte, wie ich Dich, so gemartert worden, wie ich Dich martern muß.
Franz
die Angst vor der Verbindung: Vgl. Tagebücher
(Juli 1913), S. 311: "Die Angst vor der Verbindung, dem Hinüberfließen.
Dann bin ich nie mehr allein." (In der "Zusammenstellung alles
dessen, was für und gegen meine Heirat spricht".)
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at