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An Felice Bauer
Wenn ich heute Deinen Brief lese, Felice, der so lieb ist, dass ich
mich verirre, wenn ich diese Güte zu ihrem Ursprung verfolgen will,
bleibt mein Teil wieder nur, aber noch verstärkt, das, was ich gestern
schrieb.
Niemand kann sagen, dass wir unbesonnen einander die Hand gereicht
haben, nicht die Nähe, die täuschen kann, hat gewirkt, nicht
der Augenblick, der täuschen kann, nicht ein Wort, das täuschen
kann - und doch. Siehst Du, Felice, noch immer nicht (sieh es im Licht
der letzten Sache an) das, was Du eigentlich getan hast und was Dir rückgängig
zu machen frei steht. Es ist unmöglich, und wenn ich auch verzweifelt
danach die Hand ausstrecke, es ist mir nicht gegeben. Das ist nicht Unentschlossenheit,
die mir jeden Augenblick verwirrt, sondern das ist eine Überzeugung,
die niemals aufgehört hat, die ich aber mißachtet habe, weil
ich Dich liebe und trotzdem ich Dich liebe, die aber endlich sich nicht
mißachten läßt, denn sie kommt unmittelbar aus meiner
Natur.
Winde ich mich nicht seit Monaten vor Dir wie etwas Giftiges? Bin ich nicht
bald hier, bald dort? Wird Dir noch nicht elend bei meinem Anblick? Siehst
Du noch immer nicht, dass ich in mich eingesperrt bleiben muß,
wenn Unglück, Dein, Dein Unglück, Felice, verhütet werden
soll? Ich bin kein Mensch, ich bin imstande, Dich, die ich am meisten,
die ich allein unter allen Menschen liebe (ich habe meinem Sinn nach keine
Verwandten und keine Freunde, kann sie nicht haben und will sie nicht haben),
kalten Herzens zu quälen, kalten Herzens die Verzeihung der Qual anzunehmen.
Darf ich diesen Zustand dulden, wenn ich ihn genau übersehe, geahnt
habe, mich bestätigt finde und weiterhin ahne? So wie ich bin, darf
ich zur Not leben, ich wüte nach innen, quäle nur in Briefen,
sobald wir aber zusammen leben, werde ich ein gefährlicher Narr, den
man verbrennen sollte. Was würde ich anrichten! Was müßte
ich anrichten! Und würde ich nichts anrichten, wäre ich erst
recht verloren, denn es wäre gegen meine Natur, und wer mit mir wäre,
wäre verloren. Du weißt nicht, Felice, was manche Literatur
in manchen Köpfen ist. Das jagt beständig wie Affen in den Baumwipfeln
statt auf dem Boden zu gehn. Es ist verloren und kann nicht anders. Was
soll man tun?
Ich lese, wie Ihr über die Hochzeit Deines Bruders sprecht, wie ihn
die Schwiegereltern vergöttern, wie die Schwiegereltern ihre Tochter
aufopfernd lieben, glaubst Du, ich fühle menschliche Teilnahme? Dagegen
habe ich Angst, wenn ich das lese, was Du über meinen Vater schreibst,
als ob Du zu ihm übergingest, um Dich mit ihm gegen mich zu verbinden.
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at