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An Felice Bauer

8.VII.13
 


Wenn ich heute Deinen Brief lese, Felice, der so lieb ist, dass ich mich verirre, wenn ich diese Güte zu ihrem Ursprung verfolgen will, bleibt mein Teil wieder nur, aber noch verstärkt, das, was ich gestern schrieb.

Niemand kann sagen, dass wir unbesonnen einander die Hand gereicht haben, nicht die Nähe, die täuschen kann, hat gewirkt, nicht der Augenblick, der täuschen kann, nicht ein Wort, das täuschen kann - und doch. Siehst Du, Felice, noch immer nicht (sieh es im Licht der letzten Sache an) das, was Du eigentlich getan hast und was Dir rückgängig zu machen frei steht. Es ist unmöglich, und wenn ich auch verzweifelt danach die Hand ausstrecke, es ist mir nicht gegeben. Das ist nicht Unentschlossenheit, die mir jeden Augenblick verwirrt, sondern das ist eine Überzeugung, die niemals aufgehört hat, die ich aber mißachtet habe, weil ich Dich liebe und trotzdem ich Dich liebe, die aber endlich sich nicht mißachten läßt, denn sie kommt unmittelbar aus meiner Natur.

Winde ich mich nicht seit Monaten vor Dir wie etwas Giftiges? Bin ich nicht bald hier, bald dort? Wird Dir noch nicht elend bei meinem Anblick? Siehst Du noch immer nicht, dass ich in mich eingesperrt bleiben muß, wenn Unglück, Dein, Dein Unglück, Felice, verhütet werden soll? Ich bin kein Mensch, ich bin imstande, Dich, die ich am meisten, die ich allein unter allen Menschen liebe (ich habe meinem Sinn nach keine Verwandten und keine Freunde, kann sie nicht haben und will sie nicht haben), kalten Herzens zu quälen, kalten Herzens die Verzeihung der Qual anzunehmen. Darf ich diesen Zustand dulden, wenn ich ihn genau übersehe, geahnt habe, mich bestätigt finde und weiterhin ahne? So wie ich bin, darf ich zur Not leben, ich wüte nach innen, quäle nur in Briefen, sobald wir aber zusammen leben, werde ich ein gefährlicher Narr, den man verbrennen sollte. Was würde ich anrichten! Was müßte ich anrichten! Und würde ich nichts anrichten, wäre ich erst recht verloren, denn es wäre gegen meine Natur, und wer mit mir wäre, wäre verloren. Du weißt nicht, Felice, was manche Literatur in manchen Köpfen ist. Das jagt beständig wie Affen in den Baumwipfeln statt auf dem Boden zu gehn. Es ist verloren und kann nicht anders. Was soll man tun?

Ich lese, wie Ihr über die Hochzeit Deines Bruders sprecht, wie ihn die Schwiegereltern vergöttern, wie die Schwiegereltern ihre Tochter aufopfernd lieben, glaubst Du, ich fühle menschliche Teilnahme? Dagegen habe ich Angst, wenn ich das lese, was Du über meinen Vater schreibst, als ob Du zu ihm übergingest, um Dich mit ihm gegen mich zu verbinden.

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at