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An Felice Bauer
Du, jetzt ist aber Eile nötig, wenn der Brief noch morgen kommen soll.
Es ist Samstag ¼7 Uhr.
Ich hatte keinen Brief heute, also keine Antwort auf meinen gestrigen Brief.
Hast Du ihn anders aufgefaßt, als ich es wollte? Hab ich Deiner Meinung
nach nicht recht getan, als ich der Mutter die Erlaubnis gab? Habe ich
nicht recht getan, als ich es Dir schrieb? Ich habe meiner Mutter nachgegeben
aus Schuldbewußtsein, wie ich schon sagte, ferner aus allgemeiner
und gegenüber meiner Mutter besonders starken dialektischen Unfähigkeit,
aus Schwäche dann und vor allem. Daß ich ihre große Sorge
um mich sah, war mit ein Beweggrund, wenn auch bei weitem nicht der entscheidende.
dass ich es Dir aber schreiben mußte, wenn ich es schon getan
hatte, das schien mir selbstverständlich, denn wir wollen doch - und
werden im Zusammenleben immer viel Gelegenheit dazu haben - bis zur äußersten
Grenze, soweit also als unsere Gemeinschaft geht, offen zueinander sein,
sollte ich gleich jetzt diese Kleinigkeit verschweigen? Und eine Kleinigkeit
ist es in diesem Sinn. Nicht ich frage nach Deiner Familie, Deine Familie
ist und wird mir - so fürchte ich für Dich und sagte es auch
schon - immer ferner sein, als Du es vielleicht wollen wirst, wie könnte
mich also Deine Familie jetzt im Innersten bekümmern? Und nur um Innerstes
kann es sich handeln, wenn wir zusammen leben wollen. Die Richtung und
das Urteil dafür muß jeder von uns in sich finden. Meine Eltern
sind, wie auch Deine, auf das Äußerliche angewiesen, denn sie
stehen im Grunde außerhalb unserer Angelegenheit. Sie wissen nichts
als was sie durch das Bureau erfahren, wir wissen mehr oder glauben mehr
zu wissen und jedenfalls wissen wir anderes und wichtigeres - auf uns bezieht
sich also das Bureau gar nicht, es ist also eine Angelegenheit unserer
Eltern, die man ihnen zum Spiel, um sie zu beschäftigen, gönnen
kann. Uns berührt es nicht, so glaubte ich wenigstens, aber nun bekam
ich keine Antwort.
Gestern abend zog ich in der Gegend herum, wo wir meinen Träumen nach
zusammen wohnen sollten. Es wird schon gebaut, aber auf einem Teil des
Geländes wohnen noch Zigeuner. Ich ging dort lange herum und begutachtete
alles. Es wird dort schön werden, es ist ziemlich hoch, weit vor der
Stadt und gestern nach dem Regen war die Luft besonders rein. Mir war dort
gestern auch sehr wohl, ganz anders als jetzt. So spielt es mit mir unaufhörlich.
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at