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An Felice Bauer
Liebe Felice, es wird mir heute schwer, zu schreiben, nicht etwa weil schon
spät ist, aber der Brief, der morgen - wird er wirklich kommen? -
kommen wird, ist Dir abgezwungen, ich habe ihn Dir mit dem Telegramm abgezwungen.
Dein guter Geist hat Dich vom Schreiben abgehalten, auch während des
langen Sonntags, und ich habe gegen Deinen guten Geist gekämpft. Ein
schändlicher Sieg, wenn es wirklich einer ist. Was will ich denn nur
von Dir? Was treibt mich hinter Dir her? Warum lasse ich nicht ab, folge
keinem Zeichen? Unter dem Vorwand, Dich von mir befreien zu wollen, dränge
ich mich an Dich. Wo ist eine Grenze oder ein Ausweg? Wenn ich einmal glauben
muß, dass Du für mich verloren bist, tritt gleich die grobe
perspektivische Täuschung ein und der vielleicht irgendwo bestehende,
winzige, kaum zu sehende, nie zu treffende Ausweg nimmt dann traumhaft
große, schöne Formen an und ich stürze Dir wieder nach
und ohne Übergang stock ich schon wieder. Aber ich fühle nicht
nur meine Plage, sondern die Plage, die ich Dir antue noch viel mehr.
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at