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An Felice Bauer
Krank bist Du und läufst mit der Krankheit herum? Gingest Du lieber
nicht zum Arzte, sondern bliebest zuhause und ruhtest Dich aus. Du, ich
wollte Dich pflegen.
Wir brauchen übrigens beide Ruhe; was wäre natürlicher,
als dass wir beide, die das gleiche Bedürfnis haben, nach dem
gleichen Orte fahren?
Ob ich Dich lieb habe, mußt Du nicht fragen. Manchmal ist mir, als
wäre alles, alles menschenleer und Du säßest allein auf
den Ruinen von Berlin.
Dein Brief vom Freitag ist natürlich noch nicht beantwortet, vielmehr
bereite ich eine Abhandlung zu seiner Beantwortung vor, die aber noch nicht
fertig ist. Nicht eigentlich aus Zeitmangel, sondern aus Schwäche
und Unsicherheit des Kopfes, der den Gehorsam längst versagt.
Durch irgendeinen Zufall liegt die Notiz über Löwy
vor mir, hier ist sie. Der Vortrag ist ziemlich schlecht ausgefallen,
immerhin hat der Löwy wieder etwas Geld, zu helfen ist ihm ja vorläufig
nicht. Gerne möchte ich Dich zuhören lassen, wenn er erzählt.
Das kann er besser als alles Vorlesen, Recitieren und Singen, da schlägt
sein Feuer wirklich zu einem herüber.
Das "Urteil" ist nicht zu erklären. Vielleicht zeige ich
Dir einmal paar Tagebuchstellen darüber. Die Geschichte steckt voll
Abstraktionen, ohne dass sie zugestanden werden. Der Freund ist kaum
eine wirkliche Person, er ist vielleicht eher das, was dem Vater und Georg
gemeinsam ist. Die Geschichte ist vielleicht ein Rundgang um Vater und
Sohn, und die wechselnde Gestalt des Freundes ist vielleicht der perspektivische
Wechsel der Beziehungen zwischen Vater und Sohn. Sicher bin ich dessen
aber auch nicht.
Heute schicke ich Dir den "Heizer". Nimm den kleinen Jungen
freundlich auf, setze ihn neben Dich nieder und lob' ihn, wie er es sich
wünscht.
Morgen erwarte ich genauen Bericht über die Dummheiten, die der Arzt
gesagt hat. Wer ist es übrigens? Ist es Euer Hausarzt ? Wie heißt
er?
Du, aber hindern will ich Dich durch diesen Brief nicht, nach Prag zu kommen.
Komme nur, komm! Du wirst ja so erwartet.
Franz
die Notiz: Wahrscheinlich die bereits genannte
Notiz im Prager Tagblatt vom 1. Juni; eine andere ist jedenfalls nicht
erhalten. Siehe Anhang S. 763.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at