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An Felice Bauer

28. V. 13
 


Nein, ich bin nicht unruhig, Felice, das ist nicht das Wort. Aber Du willst mich nicht haben, Du willst mich nicht haben, nichts ist klarer; wenn Du mich aber doch haben willst, dann ist dieses Wollen vor Lauigkeit ganz torsichtbar. Deine Hand scheinbar zu halten, während Du durch 10 Tage Dich von mir gänzlich abgewendet hältst, das kann ich nicht ertragen. Ich habe das Frankfurter Schweigen ausgehalten, ohne eine Erklärung von Dir bekommen zu haben, dieses letzte Schweigen ist für mich zu viel und wäre es auch für edlen 10 mal stärkeren Menschen. Ich will nicht vorrechnen, was noch sonst für meine Deutung spricht, wenn ich auch im letzten Grunde zugeben muß, dass ich Dich nicht verstehe. Ein Unrecht habe ich Dir getan, Du hast wirklich Sonntag abend geschrieben (ich habe den Brief erst heute bekommen, die Postbeamten müssen die Unsicherheit meiner Hände haben), aber der Inhalt des Briefes macht mein Unrecht wieder gänzlich gut. In dem Brief, den Du Montag bekamst, habe ich vor Verzweiflung geschrien, Du hattest nichts zu schreiben. Dienstag wieder nichts und ich habe guten Grund zu glauben, dass ich Dein heutiges Telegramm einem Brief von Max verdanke. Es bleibt nichts übrig, als den Abschied zu nehmen, den Du mir zwischen den Zeilen Deiner Briefe und in den Pausen zwischen den Briefen längst gegeben hast. Ich wiederhole, Felice: Ich gehöre Dir vollständig, so besessen kannst Du nichts haben, aber innerhalb des gegenwärtigen und schon Wochen dauernden Verhältnisses kann ich Dir nicht mehr gehören, denn das kann nicht Dein wirkliches Wesen sein, das ein solches Verhältnis aufrecht halten will, in dem Du nur leidest, denn grausam bist Du gewiß nicht, und in dem ich sinnlos herumgejagt werde. Das mußte ich Dir noch sagen.

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at