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An Felice Bauer

vom 23. zum 24. V. 13
 


Es ist so spät geworden über Maxens neuestem Buch "Weiberwirtschaft", ich schicke es Dir in den nächsten Tagen. Auch die Geschichte Haus der Nähschule" ist darin, von der ich nur den Anfang kannte und in der ich nun ohne Rücksicht auf die Zeit und meine Schlaflosigkeit bis zum Ende weitergelesen habe.

Liebste, wieso kommt es nur, dass ich so lange ohne Nachricht von Dir bin? Wenn Du wüßtest, wie ich aus dem Worte "innige" in Deinem Telegramm alles, was ich wünsche, herausgesaugt habe, trotzdem es nur ein Formelwort war. Sollte ich Dich mit etwas im letzten Brief gekränkt haben? Das kann ich nicht recht glauben, denn wenn es auch dumm ist und geziert scheint, in solcher allgemeinen Weise über längst vergangene Dinge zu reden, so kennen wir einander doch so weit, dass Du wissen mußt, dass bei Auflösung jener Masse in regelrechte Erzählung kein Wort Dich kränken könnte.

Sollte aber die Reise nicht gut ausgefallen sein? Aber auch nicht eine Karte habe ich bekommen, und nachhause, wo man Dich doch schon Freitag wiederhatte und unmöglich so viel Sorge um Dich haben konnte wie ich, hast Du gewiß geschrieben.

Keine Vorwürfe mehr, meine Felice, sei mir nur niemals böse, es ist vielleicht Grund dazu aber niemals Schuld. Was für ein Mensch ich -,verden könnte, wenn Du es willst, das glaubst Du gar nicht. Hätte ich doch Deine Hand wirklich so in meiner, wie ich mich innerlich von ihr geleitet fühle.

Franz


Darf ich Deine Mutter, Deine Geschwister grüßen? Deiner Mutter sag: Sinn und Zweck hatte die Reise, aber keinen Menschen, der sie ausführte.

Meinen Expreßbrief hast Du doch?

[Links unten am Rande] Das "angemeldete Fräulein B." ist wunderschön, schick' mir doch öfters etwas aus dem Bureau.




Weiberwirtschaft: Max Brod, Weiberwirtschaft, Drei Erzählungen, Berlin 1913.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at