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An Felice Bauer

2. V. 13
 


Du verkennst mich noch immer, Felice, selbst in dieser Kleinigkeit. Wie könnte ich Dir denn böse sein, wenn Du mir so eine freundliche Karte schickst. Nur diese kurzen Sätzchen, die ich besonders aus Frankfurt bekam und die weder eine Mitteilung noch eine Erklärung und kaum einen Gruß, sondern nur Eile, nur Eile enthielten und mit einem Seufzer des Geplagtseins begonnen und mit einem Seufzer der Erleichterung beendet schienen - schienen ! schienen! (ich muß Dir doch alles klagen, da Du mein Liebstes bist, also auch über Dich klagen) - nur jene Briefehen haben mich so aufgeregt.

Jetzt scheint Dich aber die Verlobung Deines Bruders - ich habe Dir gar nicht gratuliert, aber vielleicht bist Du auf die Schwägerin eifersüchtig, dann gibt es nichts zu gratulieren - sehr zu beschäftigen, und das ist wegen der kurzen zwei Pfingstfeiertage sehr traurig. Was werden wir an diesen zwei Tagen tun? Du mußt wissen, ich denke schon kaum mehr an die 2 Tage als vielmehr an die grauenhafte folgende Zeit, wo ich Dich, wenn nicht große Wunder geschehn, sehr lange nicht sehn werde, es müßte denn sein, dass Du mit mir nach Italien fährst oder wenigstens an den Gardasee oder gar nach Spanien zum Onkel. Ich bitte Dich Felice, denke rasch und gut nach. Ich hätte eigentlich nicht davon gesprochen, dass ich Deine Eltern besuchen will, denn repräsentationsfähig sehe ich ebensowenig wie vor 2 Monaten aus und bin es auch ebenso wenig, aber ich fürchtete mich mehr als vor allem davor, wieder nur augenblicksweise mit Dir beisammen zu sein, in Berlin zu sein und etwa 5 Stunden auf dem Kanapee zu liegen und den doch immer unsichern Telephonanruf erwarten. Deinem Bruder würde ich übrigens ein wenig bekannt vorkommen, hast Du ihm damals gesagt, wer ich bin oder wie hast Du ihm sonst das Zusammentreffen erklärt? Übrigens ist ja jetzt alles ein wenig besser, da Du nicht mehr so entlegen wohnst. Trotzdem denk' nach, denk' nach! Mein Kopf will nicht.

Franz




Onkel: Kafkas Onkel Alfred Löwy in Madrid.


da Du nicht mehr so entlegen wohnst: Die neue Wohnung der Familie Bauer war dem >Askanischen Hof<, wo Kafka in Berlin zu wohnen pflegte, beträchtlich näher als die frühere.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at