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An Felice Bauer
Ich hätte keine Zeit, Dir zu schreiben, Felice? Nein, das nicht, auch
ist mir körperlich nicht schlechter als sonst. Und mutwillig beunruhigen
wollte ich Dich gewiß nicht und mutwillig darauf verzichten, Dir
zu schreiben, auch nicht, und mutwillig darauf verzichten, von Dir Antworten
zu bekommen, erst recht nicht. Aber höre mich bitte ruhig an-Zeit
wollte ich Dir geben, Dir Dein Verhältnis zu mir klar zu machen, denn
nach den Nachrichten, die ich von Dir seit Ostern habe (die ersten zwei
Briefe vielleicht abgerechnet), mußte ich glauben (bitte, Felice,
tritt doch für einen Augenblick an meine Seite und sieh alles an,
so wie ich es sehen muß), dass ich nur noch auf eine künstliche
Weise Dich bei mir halte, indem ich Brief auf Brief abgehen und so Dich
nicht zur Besinnung kommen lasse und Dich dazu dränge, in der Eile
alte Worte ohne den alten Sinn zu gebrauchen. Ich sage jetzt nichts Endgültiges,
denn jeder neue Brief, den ich von Dir bekomme, beirrt mich von neuem selbst
in der festesten Überzeugung, aber wenn es so wäre, dann wäre
es wirklich das einzige gewesen, worin Du mich jemals enttäuscht hättest
und überhaupt hättest enttäuschen können, denn Offenheit
hätte ich selbst im Schlimmsten immer von Dir erwartet. Daß
Du mich einmal verabschiedet hättest, darüber hätte ich
nicht gestaunt, denn Du konntest mich nicht gleich erkennen, es war sogar
unmöglich, ich näherte mich Dir förmlich von der Seite und
es. dauerte ein Weilchen, ehe wir einander Gesicht zu Gesicht zudrehten.
Nun kenne ich ja Deine endgiltige Entscheidung nicht, sondern glaube sie
nur aus Deinen letzten Briefen ahnen zu können und ich begreife nur
nicht, Felice, dass Du selbst nicht wissen solltest, wie es um Dich
steht. Du darfst nicht glauben, dass sich das alles, was ich sage,
darauf bezieht, dass Deine Briefe kurz und selten sind, Du hast mir
auch früher hie und da kurze Briefe geschrieben und ich war mit ihnen
glücklich und zufrieden. Die letzten Briefe aber sind anders. Meine
Sachen sind Dir nicht mehr so wichtig und was noch viel ärger ist:
es liegt Dir nichts mehr daran, mir von Dir zu schreiben. Was soll ich
da? Ich konnte auf die letzten Briefe nicht mehr antworten und stellte
mir Donnerstag vor, wie Du im Bureau vormittags aufatmend feststelltest,
dass endlich kein Brief gekommen ist.
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at