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An Felice Bauer

¼10 abend 14. IV. 13
 


Ich muß bei meinen kartenspielenden Eltern schreiben, auch bin ich ein wenig erschöpft vom Gewöhnlichen und Außergewöhnlichen und doch, Felice, -sehr glücklich. "Es ist doch alles wie es war", hat einen wunderbaren Klang, der bei weitem das Strenge, das in "bitte keine unnütze Sorge" liegen kann, übertrifft. Ich war am Ende meiner Kraft, dort bin ich zwar in der letzten Zeit fast immer gewesen, aber nun hing ich schon fast vornüber. Ich mußte mir sagen - aber warum will die Feder überfließen, ist wirklich alles wie es war, Felice, wirklich alles, wirklich wie es war?

Eigentlich müßtest Du doch staunen, in meinen Briefen ist es meine ewige Sorge, Dich von mir zu befreien, wenn es mir aber einmal gelungen scheint, werde ich toll. Ich verstand nicht, warum mir von einer ganzen Frankfurter Woche nur eine Karte zukommen sollte, verstand nicht, wie Du so wenig Zeit haben solltest, besonders wenn ich mich daran erinnerte, wie Du einmal früher über die Möglichkeit unseres Beisammenseins in Frankfurt geschrieben hattest, von viel freier Zeit, Fahrten in den Taunus usw. Trotzdem nahm ich das Nichtschreiben hin, es sollte so zu Ende gehe, wie es mit mir zu Ende ging. Da wurde gestern, als ich bei Max war, schon im Weggehn von irgendetwas flüchtig mit anderem vermischt gesprochen, mich aber brachte es in irgendeinem gleichgültigen Zusammenhang auf den Gedanken, Du könntest in Frankfurt, gerade in dieser Festhalle, aus der Dein Telegramm datiert ist, mit irgendeinem alten oder auch neuen Bekannten zusammengekommen sein, der Dich festhalte. Gewiß kommen dort die Vertreter aller Firmen zusammen, repräsentative, gutangezogene, kräftige, gesunde, lustige junge Leute, also Leute, gegenüber denen ich mich, wenn man mich ihnen zum Vergleich gegenüberstellen wollte, einfach niederstechen müßte. Was war natürlicher, sagte ich mir, als dass Du an einem von ihnen Gefallen finden könntest, besonders da Du damit die Bitte unzähliger meiner Briefe erfüllt hättest, alles wäre aufgelöst gewesen, ich wäre dort gewesen, wo ich sein müßte und scheinbar sein wollte, d. h. hinausgeworfen aus Deiner Nähe, wie ich es verdiente, da ich Dich nicht bei den Händen gehalten hatte, wie man die Geliebte hält, sondern mich an Deine Füße geklammert und das Gehn Dir unmöglich gemacht hatte. Warum war ich also nicht zufrieden, stand mit einem vor Schlaflosigkeit förmlich eingetrockneten Kopfe auf und atmete zum erstenmal frei, nachdem das Telegramm weggeschickt war?

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at