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An Felice Bauer

8. IV. 13
 


Einen Zahn hat man Dir gezogen und Schmerzen hast Du wieder gehabt. Wie wirst Du doch fortwährend geplagt und die Müdigkeit will Dich gar nicht verlassen und doch müßtest Du Dich nur einmal völlig ausruhn und könntest die Frischeste sein. Es liegt mir so nahe, jedes Leid, das Dich trifft, in Beziehung zu mir zu bringen, mich deshalb anzuklagen, selbst wenn es so unsinnig ist wie bei Zahnschmerzen. Wirst Du jetzt in Frankfurt Ruhe haben? Und ist das Ehepaar Bluen mitgefahren? Und Frl. Brühl? Und wirst Du Dich recht ausruhn? Lies nicht so lange im Bett wie in Prag! Lies am besten nur Gedichte, nicht Romane, die Dich wachhalten. Ich schicke Dir morgen Werfels Gedichte. Mit dieser Sendung belohnte ich Werfel, er verdient es. Heute bekam ich von ihm eine Karte, die er, trotzdem er als nachlässig und faul bekannt ist, geradezu augenblicklich nach Erhalt eines Briefes von mir geschrieben hat und in der er sich erbietet mit zwei andern, die mir auch schreiben, alles mögliche für Löwy zu tun, dem es diesmal wieder hundeschlecht geht und der im Krankenhaus mit jenen fürchterlichen Kopfschmerzen liegt, die ihn alle Vierteljahre als Folge irgendeiner alten Nasenoperation anfallen. Er hat sich von seiner alten Truppe getrennt, mit den schönsten Absichten trotz meines Abratens eine neue Truppe gebildet, die besser als die alte sein sollte, bessere Stücke als die alte aufführen sollte, die aber-wie dies bei so zufällig, eilig zusammengebrachten Leuten selbstverständlich ist-viel schlechter war als die alte und bei der kindlichen Geschäftsführung des Löwe - er fuhr mit der Truppe immerfort zwischen Leipzig und Berlin hin und her fast ohne zu schlafen - auch viel weniger verdiente. Nun war es knapp vor dem Zusammenbruch, die Konkurrenz der alten, bessern Truppe schadete auch und nahm für die Zukunft jede Aussicht, die Schulden, die Löwy für die Truppe auf seinen Namen aufgenommen hatte, waren umsinnig hoch (was denken sich nur diese Gläubiger!) - da wurde Löwy auch noch krank (er schrieb mir: "Gott ist groß, wenn er gebt, so gebt er von alle Seiten"), die Truppe verlief sich natürlich so rasch wie möglich und nun ist er dageblieben, krank, ohne jede Mittel, mit großen Schulden, ohne Aussicht, nach einem vollständigen Mißlingen. Es ist schon eine alte Geschichte, ich weiß gar nicht, warum ich Dir davon nicht geschrieben habe; ich habe eine Menge Briefe von ihm bekommen. Vielleicht folgt er mir jetzt und fährt nach Palästina.

Liebste, ich soll schon schließen und habe Dich noch gar nicht recht angesprochen. Heute vormittag begleitete ich Dich in Gedanken auf Deiner vermeintlichen Fahrt. Es tut nichts, ich bin nachmittag zum zweitenmal nach Frankfurt gefahren.

Franz


Letzte Änderung: 8.6.2016werner.haas@univie.ac.at