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An Felice Bauer
Felice, Liebste, endlich bin ich beim Brief, nebenan ist kein übermäßig
angenehmer Besuch, ich laufe schon seit 1½ Stunden in mein Zimmer,
als wärest Du hier. Merkst Du an meiner Schrift, dass ich heute
schon schwere Arbeit geleistet habe und der Federhalter für mich schon
eine zu leichte Sache ist? Ja, ich habe heute zum erstenmal beim Gärtner
draußen in Nusle, einer Vorstadt, gearbeitet, im kühlen Regen
nur in Hemd und Hosen. Es hat mir gut getan. Und es war nicht ganz leicht,
eine Stelle zu finden. Dort in der Gegend gibt es zwar viele Gemüsegärten,
aber sie stehn ganz frei, ohne Umzäunung, zwischen Häusern, und
gerade abend nach Arbeitsschluß, also gerade wenn ich arbeiten will,
ist dort ringsherum viel Verkehr, amerikanische Schaukeln, Karussells,
Musik; wie hübsch das auch sonst ist, als Arbeitsplatz hat mir das
nicht sehr gefallen, besonders auch, da in diesen Gemüsegärten,
die meist ganz klein sind und armen Leuten gehören, der Anbau sehr
einförmig ist und man deshalb nicht viel erlernen kann. Nun wollte
ich ja eigentlich nichts erlernen. Mein Hauptzweck war, mich für paar
Stunden von der Selbstquälerei zu befreien, im Gegensatz zu der gespensterhaften
Arbeit im Bureau, die mir förmlich davonfliegt, wenn ich sie fassen
will - dort im Bureau ist die wahre Hölle, eine andere fürchte
ich nicht mehr -, eine stumpfsinnige, ehrliche, nützliche, schweigsame,
einsame, gesunde, anstrengende Arbeit zu leisten. Ganz ehrlich ist
ja schon diese Begründung nicht denn ich halte die Selbstquälerei,
die ich immerfort ausführe, durchaus nicht für überflüssig,
sondern sogar für höchst notwendig und im Verhältnis zu
Dir, Liebste, sollte mich diese Quälerei eigentlich durchbohren zu
Deinem Glück. Aber für 2 Stunden wollte ich die Qual los sein
und ruhig und glücklich an Dich denken dürfen und schließlich
vielleicht mir für die Nacht einen ein wenig besseren Schlaf verdienen.
Aber mit solchen Erklärungen hätte ich die Leute stutzig gemacht
und es hätte mich vielleicht niemand aufgenommen, deshalb sagte ich,
ich werde in absehbarer Zeit einen eigenen Garten haben und wolle deshalb
ein wenig Gärtnerei erlernen.
Aber es ist zu spät, Felice, morgen erzähle ich weiter, heute
schläfst Du wohl schlecht vor Reiseunruhe, armes Kind, es wird alles
gut ausgehn. Hier ist einer, der kaum etwas anderes im Kopfe hat als gute
Wünsche für Dich.
Franz
Letzte Änderung: 8.6.2016 werner.haas@univie.ac.at