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An Felice Bauer
Ich weiß nicht, Liebste, ich hätte eine Unmenge Arbeit, der
ganze Tisch vor mir ist überhäuft, aber ich kann nichts machen.
Gut, dass ich mich nicht schon früher entschlossen habe, nach
Berlin zu fahren. Der Atem stockte mir beim Lesen Deines Briefes und noch
ein Weilchen danach. Natürlich ist es ja nur meine Schwäche,
die jede Gelegenheit benutzt, um sich über mein ganzes Wesen auszubreiten,
aber diese Gelegenheit ist auch wirklich zu groß. Wie werde ich die
paar Tage noch verbringen! Schon gestern abend - und da hatte ich doch
Deine Antwort noch nicht - wußte ich nichts zu schreiben, aber ich
weiß auch nichts zu reden, und anhören kann ich nur, was von
Ostern handelt.
Und es gäbe doch ein gutes Mittel, um jede Freude und Erwartung zu
unterdrücken, ich müßte mir nur klarmachen, warum ich fahre.
Ich habe, glaube ich, kein Geheimnis daraus gemacht weder vor mir noch
vor Dir, nur kann ich es, so genau ich es auch weiß, nicht bis zu
Ende ausdenken. Und diese Unfähigkeit bildet eigentlich mein Glück.
Ich fahre nach Berlin zu keinem andern Zweck, als um Dir, der durch Briefe
Irregeführten, zu sagen und zu zeigen, wer ich eigentlich bin. Werde
ich es persönlich deutlicher machen, als ich es schriftlich konnte?
Schriftlich mißlang es, weil ich mir bewußt und unbewußt
entgegenarbeitete; wenn ich aber wirklich dasein werde, wird sich nur wenig
verbergen lassen, selbst wenn ich mich anstrengen sollte, es zu tun. Die
Gegenwart ist unwiderleglich.
Wo kann ich Dich also Sonntag vormittag treffen? Sollte ich doch noch an
der Fahrt verhindert werden, würde ich Dir spätestens Samstag
telegraphieren. Bist Du Samstag den ganzen Tag im Bureau?
Ich habe den Brief so glücklich angefangen, da ist mir der unvermeidliche
zweite Absatz in die Quere gekommen und hat mich zur Besinnung gebracht.
Franz
Kennst Du den Briefwechsel zwischen Elizabeth Barrett und Robert Browning?
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at