Voriger Eintrag Jahresübersicht | IndexseiteNächster Eintrag

 

An Felice Bauer

vom 3. zum 4. II. 13
 


So bin ich, Liebste, da hast Du mich. Müde von der Reise, noch ermüdeter von mir selbst bin ich doch noch jetzt abends bei Brods gewesen. Und was habe ich dort ausgerichtet? Für mich genug. Ich saß 2 Stunden neben Sophie, neben der Du auch gesessen bist, saß auf dem gleichen Platz, wie damals im August, und Dein Name wurde zweimal genannt. Aber mein Verdienst an Deiner Namensnennung war sehr gering, und dass Dein Name nicht öfter genannt wurde, habe ich wahrscheinlich verhindert. Dein Name wurde zuerst unvermittelt mitten in anderem Gespräch genannt, Du läßt alle grüßen, sagte Sophie, "angefangen von Frau Brod bis zu Dr. Kafka". Die Reihenfolge des Grußes wäre mir schon recht gewesen, denn nachdem Du alle Grüße abgetan hättest, wärest Du für mich allein geblieben, ich hätte Dich halten und nicht mehr hergeben müssen. Auch dass Du unter fremden Leuten genannt wurdest, und dass ich mich Dir näher fühlte als alle und ihnen allen also überlegen war, machte mir warm, und ich war sehr zufrieden. Aber diese eine Nennung war auch das Äußerste, was ich ohne auffallend zu werden, ohne Grimassen zu schneiden, ohne unglücklich darüber zu werden, dass alle doch an Dir teilnehmen konnten, hätte ertragen können. Und so suchte ich Dich in Vergessenheit zu bringen und erst, als es ringsherum von Dir still war, wurdest Du wieder laut in mir.

Liebste, wie Du müde sein mußt! Es darf gewiß in Berlin nicht anders sein und alle leben wahrscheinlich so, aber wie kannst Du nur die Arbeit im Bureau bei solcher Unausgeschlafenheit ertragen? dass das nicht möglich ist ohne Überanstrengung und Schädigung Deiner Gesundheit, daran ist kein Zweifel. Du, das sind traurige Gedanken, die man sich darüber in der Ferne macht. Du darfst nicht glauben, dass ich die Notwendigkeit alles dessen einsehe. Ich weiß, es geht in Berlin grundsätzlich alles lärmender, lustiger zu als bei uns (und selbst unser Lärm und unsere Lust ist mir unerreichbar). Unter gleichen Umständen wäre wohl bei einem Bekanntenkreis wie ihn Max hat eine Berliner Hochzeit in dieser Art, wie er sie, nicht ohne meinen Einfluß (in Nachlässigkeit und Formlosigkeit bin ich eine hohe Instanz) durchgeführt hat, wahrscheinlich unmöglich. In welchem Zustand Du wohl am Montag gewesen bist! Wie darf ich das allerdings beurteilen, der ich im allgemeinen nicht imstande bin, jemanden auch nur beiläufig zu unterhalten. Ich kann kein Gespräch im Gang erhalten. Der Anblick selbst eines bekannten Gesichts führt mich bald auf Abwege.

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at