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An Felice Bauer
So bin ich, Liebste, da hast Du mich. Müde von der Reise, noch ermüdeter
von mir selbst bin ich doch noch jetzt abends bei Brods gewesen. Und was
habe ich dort ausgerichtet? Für mich genug. Ich saß 2 Stunden
neben Sophie, neben der Du auch gesessen bist, saß auf dem gleichen
Platz, wie damals im August, und Dein Name wurde zweimal genannt. Aber
mein Verdienst an Deiner Namensnennung war sehr gering, und dass Dein
Name nicht öfter genannt wurde, habe ich wahrscheinlich verhindert.
Dein Name wurde zuerst unvermittelt mitten in anderem Gespräch genannt,
Du läßt alle grüßen, sagte Sophie, "angefangen
von Frau Brod bis zu Dr. Kafka". Die Reihenfolge des Grußes
wäre mir schon recht gewesen, denn nachdem Du alle Grüße
abgetan hättest, wärest Du für mich allein geblieben, ich
hätte Dich halten und nicht mehr hergeben müssen. Auch dass
Du unter fremden Leuten genannt wurdest, und dass ich mich Dir näher
fühlte als alle und ihnen allen also überlegen war, machte mir
warm, und ich war sehr zufrieden. Aber diese eine Nennung war auch das
Äußerste, was ich ohne auffallend zu werden, ohne Grimassen
zu schneiden, ohne unglücklich darüber zu werden, dass alle
doch an Dir teilnehmen konnten, hätte ertragen können. Und so
suchte ich Dich in Vergessenheit zu bringen und erst, als es ringsherum
von Dir still war, wurdest Du wieder laut in mir.
Liebste, wie Du müde sein mußt! Es darf gewiß in Berlin
nicht anders sein und alle leben wahrscheinlich so, aber wie kannst Du
nur die Arbeit im Bureau bei solcher Unausgeschlafenheit ertragen? dass
das nicht möglich ist ohne Überanstrengung und Schädigung
Deiner Gesundheit, daran ist kein Zweifel. Du, das sind traurige Gedanken,
die man sich darüber in der Ferne macht. Du darfst nicht glauben,
dass ich die Notwendigkeit alles dessen einsehe. Ich weiß, es
geht in Berlin grundsätzlich alles lärmender, lustiger zu als
bei uns (und selbst unser Lärm und unsere Lust ist mir unerreichbar).
Unter gleichen Umständen wäre wohl bei einem Bekanntenkreis wie
ihn Max hat eine Berliner Hochzeit in dieser Art, wie er sie, nicht ohne
meinen Einfluß (in Nachlässigkeit und Formlosigkeit bin ich
eine hohe Instanz) durchgeführt hat, wahrscheinlich unmöglich.
In welchem Zustand Du wohl am Montag gewesen bist! Wie darf ich das allerdings
beurteilen, der ich im allgemeinen nicht imstande bin, jemanden auch nur
beiläufig zu unterhalten. Ich kann kein Gespräch im Gang erhalten.
Der Anblick selbst eines bekannten Gesichts führt mich bald auf Abwege.
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at