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A Felice Bauer
Wieder komme ich, Liebste, von Hebbels Briefen zu Dir. Ich weiß nicht,
wie Menschen, die von einem bürgerlichen Beruf und von bürgerlichen
Sorgen ausgefüllt sind, solche Briefe lesen, in denen sich ein Mensch
aus seinem durch die dichterische Arbeit aufgeregten und ewig, selbst in
der Ohnmacht, strömenden Innern mit den wildesten Selbstgeständnissen
erhebt, - ich fühle ihn tatsächlich (trotzdem ich, mit ruhigem
Auge gemessen, soweit von ihm entfernt bin, wie der kleinste Mond von der
Sonne) ganz nahe an meinem Leib, er klagt an meinem Hals, er rührt
an meine Schwächen unmittelbar mit seinen Fingern und manchmal, selten
genug, reiht er mich mit sich fort, als wären wir zwei Freunde.
Im einzelnen kann ich seine Wirkungen nicht beschreiben, aus dem ersten
das zweite entwickeln kann ich nicht, in solcher dünner Luft wird
mir das Leben zu schwer, ich breche aus dem tatsächlichen Kampfe aus,
um im Anblick des Ganzen zu ruhn. Meine Denkkraft hat unglaublich enge
Grenzen, in den Ergebnissen die Entwicklung fühlen, kann ich; aus
der Entwicklung zu den Ergebnissen steigen oder aus den Ergebnissen Schritt
für Schritt hinabzugehn, das ist mir nicht gegeben. Es ist, als fiele
ich auf die Dinge herab und erblickte sie nur in der Verwirrung des Falles.
Hebbel denkt ganz genau und ohne die geringsten Winkelzüge, in denen
man sich so gern mit seiner Verzweiflung zu retten sucht. Er denkt nicht
nur mit einer ihm von frühester Jugend an innewohnenden Kraft (seine
Bildung war ganz zufällig und jammervoll zusammengetragen), sondern
auch nach einer ihm von Anfang an innewohnenden, bis zur Einfältigkeit
charakterisierten Methode. Wenn ich mir das genau vorzustellen suche, hört
die gute menschliche Wirkung seiner Briefe für mich sofort auf, und
er tritt mich einfach nieder.
Für Deinen heutigen Brief, Liebste, meinen besondern Dank. Gott weiß,
unter welchen Mühseligkeiten Du ihn geschrieben hast, aber Du hast
ihn doch geschrieben, und ich hatte, als ich aus dem Bureau ging, ein von
Dir am vorigen Tag beschriebenes Papier in der Tasche, das ich dort halten,
streicheln und liebhaben konnte. Denk nur, sogar die Chokolade habe ich
gegessen, natürlich langsam, zögernd, ängstlich, aber die
Verführung, möglichst viel an Deiner Existenz und Deiner Lust
teilzunehmen, war zu groß. Es hat mir auch nicht geschadet, denn
alles, was von Dir kommt (darin bist Du anders als ich) ist lieb und gut
und unschädlich.
Franz
Letzte Änderung: 4.5.2016 werner.haas@univie.ac.at