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An Felice Bauer
Mein liebstes Kind, es ist vorüber, es entstehen Aussichten auf bessere
Zeiten, verhältnismäßige Zufriedenheit beginnt. Manchmal
habe ich das Gefühl, diese fremden Leute Iosgeworden zu sein, sei
kein Opfer zu groß gewesen, nicht einmal das Opfer meiner Schwester.
Dabei darfst Du natürlich nicht denken und denkst es auch nicht, dass
einem solchen Gefühl irgendetwas Tatsächliches entspricht, aber
das Gefühl ist unaustreibbar.
Ich bekam Deinen Brief, die Karte und die Bilder mitten in der Hochzeitsgesellschaft,
gerade als wir uns zum Zuge ordneten, mir war, als drücktest Du mir
die Hand.
Ach Liebste, wie ist das mit den Bildern doch ein sehnsüchtiges Vergnügen.
Alle stellen die Liebste dar, keines gleicht dem andern, alle fassen einen
mit Gewalt. Auf diesen Bildern gleichst Du wieder sehr dem kleinen Mädchen
auf dem ersten Bild, das Du mir schicktest. So still sitzt Du da, die linke
Hand, ganz unbeschäftigt, darf doch nicht erfaßt werden, etwas
sehr Nachdenkliches wird diktiert. Eine raffinierte Aufnahme für den
Fall, als man es darauf angelegt haben sollte, den Mund zu küssen.
Bist Du hier in Deinem Bureau photographiert? Was für ein Unterschied
ist zwischen den verschiedenen Mundstücken der Apparate? Soll das
Bild vielleicht zu Reklamezwecken verwendet werden? Vielleicht zu Ansichtskarten?
Das doch nicht?
Liebste, was hättest Du wohl heute zu mir gesagt, wenn Du mich während
der Hochzeit hättest beobachten können. Es verlief ja alles beiläufig
so wie ich es Mir gedacht hatte, das einzig Überraschende war, dass
es wirklich zu Ende ging. Aber dass ich mich wieder in einem solchen
ausgetrockneten kopfhängerischen Zustand befinden würde, in dem
ich dem kläglichsten aller Gäste noch weit unterlegen war, das
hatte ich doch nicht erwartet; solche Zustände, dachte ich, lägen
schon für immer in sagenhafter Zeit hinter mir. Und nun waren sie
wieder da, frisch wie am ersten Tag einer langen Reihe endloser Tage. Erst
wie ich nachher auf einen Augenblick allein im Kaffeehaus war und 4 Bilder
von Daumier (Der Metzger, das Koncert, die Kritiker, der Sammler) gesehen
hatte, fand ich mich wieder leidlich zusammen.
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at