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[Tagebuch, 11. September 1912; Mittwoch]

11 Sept. (1912) Vorvorgestern Abend mit Utitz.

Ein Traum: Ich befand mich auf einer aus Quadern weit ins Meer hineingebauten Landzunge. Irgendjemand oder mehrere Leute waren mit mir, aber das Bewußtsein meiner selbst war so stark, dass ich von ihnen kaum mehr wußte, als dass ich zu ihnen sprach. Erinnerlich sind mir nur die erhobenen Knie eines neben mir Sitzenden. Ich wußte zuerst nicht eigentlich wo ich war, erst als ich mich einmal zufällig erhob, sah ich links vor mir und rechts hinter mir, das weite klar umschriebene Meer mit vielen reihenweise aufgestellten, fest verankerten Kriegschiffen. Rechts sah man Newyork, wir waren im Hafen von Newyork. Der Himmel war grau aber gleichmäßig hell. Ich drehte mich frei, der Luft von allen Seiten ausgesetzt auf meinem Platze hin und her, um alles sehn zu können. Gegen Newyork zu, gieng der Blick ein wenig in die Tiefe, gegen das Meer zu gieng er empor. Nun bemerkte ich auch, dass das Wasser neben uns hohe Wellen schlug und ein ungeheuerer fremdländischer Verkehr sich auf ihm abwickelte. In Erinnerung ist mir nur, dass statt unserer Flöße lange Stämme zu einem riesigen runden Bündel zusammengeschnürt waren, das in der Fahrt immer wieder mit der Schnittfläche je nach der Höhe der Wellen mehr oder weniger auftauchte und dabei auch noch der Länge nach sich in dem Wasser wälzte. Ich setzte mich, zog die Füße an mich, zuckte vor Vergnügen, grub mich vor Behagen förmlich in den Boden ein und sagte: Das ist ja noch interessanter als der Verkehr auf dem Pariser Boulevard.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at