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[Tagebuch, 5. September 1912; Donnerstag]

5 Sept (1912) Ich frage ihn: Wie soll man das verbinden, dass Du unzufrieden bist, wie Du letzthin sagtest, und dass Du Dich in allem zurechtfindest, wie man immer wieder sieht (und wie es sich mit der solchem Zurechtfinden immer eigentümlichen Rohheit zeigt, dachte ich) Er antwortete, wie es sich in meiner Erinnerung auflöst: "Im Einzelnen bin ich unzufrieden, an das Ganze reicht es nicht heran. Ich nachtmahle öfters in einer kleinen französischen Pension, die sehr vornehm und teuer ist. Ein Zimmer für ein Ehepaar kostet z. B. mit Pension täglich 50 fr. Ich sitze dort also z. B. zwischen einem Legationssekretär der französischen Botschaft und einem spanischen Artilleriegeneral. Mir gegenüber sitzt ein hoher Beamter des Marineministeriums und irgend ein Graf. Ich kenne schon alle gut, setze mich auf meinen Platz mit Gruß nach allen Seiten, rede weil ich in eigener Laune bin, sonst kein Wort, bis auf den Gruß, mit dem ich mich wieder verabschiede. Dann bin ich allein auf der Gasse und kann wirklich nicht einsehn, wozu dieser Abend gedient haben soll. Ich gehe nachhause und bedauere nicht geheiratet zu haben. Natürlich verwischt sich das wieder, sei es, dass ich es zuende denke, sei es dass sich die Gedanken verlaufen. Aber bei Gelegenheit kommt es wieder. "

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at