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[Tagebuch, 23. Mai 1912; Donnerstag]

23 (Mai 1912) Gestern: hinter uns fiel ein Mann vor Langweile vom Sessel. Vergleich von Rachilde: die sich an der Sonne freuen und von den andern Freude verlangen, sind wie Betrunkene die in der Nacht von einer Hochzeit kommen und ihnen Entgegenkommende zwingen, auf das Wohl der unbekannten Braut zu trinken.

Brief an Weltsch, ihm das Du angetragen

Gestern guter Brief an Onkel Alfred wegen der Fabrik. Vorgestern Brief an Löwy

Jetzt abends vor Langweile dreimal im Badezimmer hintereinander mir die Hände gewaschen.

Angst vor dem Alleinsein am Pfingstsonntag und Montag mit der unglaublichen Begründung, dass die Eltern nach Franzensbad fahren.

Das Kind mit den zwei kleinen Zöpfchen, bloßem Kopf, losen weißpunktierten rotem Kleidchen, bloßen Beinen und Füßen, das mit einem Körbchen in der einen, mit einem Kistchen in der andern Hand zögernd den Fahrdamm beim Landesteater überschritt.

Das anfängliche Rückenspiel in Madame la mort nach dem Grundsatz: Der Rücken eines Dilettanten ist unter gleichen Verhältnissen so schön wie der Rücken eines guten Schauspielers. Die Gewissenhaftigkeit der Leute!

In den letzten Tagen ausgezeichneter Vortrag von Davis Trietsch über Kolonisation in Palästina.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at