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[Tagebuch, 5. März 1912; Dienstag]

5. III 12 Diese empörenden Ärzte! Geschäftlich entschlossen und in der Heilung so unwissend, dass sie, wenn jene geschäftliche Entschlossenheit sie verließe, wie Schuljungen vor den Krankenbetten stünden. Hätte ich doch die Kraft, einen Naturheilverein zu gründen. Durch Herumkratzen im Ohr meiner Schwester macht Dr. Kral eine Trommelfellentzündung zu einer Mittelohrentzündung; das Dienstmädchen fällt beim Einheizen hin, der Doktor erklärt es mit jener Schnelligkeit der Diagnose, die er gegenüber Dienstmädchen hat, für verdorbenen Magen und Blutandrang infolgedessen, am nächsten Tag legt sie sich wieder nieder, hat hohes Fieber, der Doktor dreht sie rechts und links, konstatiert Angina und läuft rasch weg, um nicht vom nächsten Augenblick widerlegt zu werden. Wagt sogar von "niederträchtig starken Reaktionen dieses Mädchens" zu reden, woran das wahr ist, dass er an Menschen gewöhnt ist, deren körperlicher Zustand seiner Heilkunst würdig und durch sie hervorgebracht ist und dass er sich durch die starke Natur dieses Mädchens vom Lande mehr, als er weiß, beleidigt fühlt.

Gestern bei Baum. Vorgelesen "Der Dämon". Unfreundlicher Eindruck im Ganzen. Gute präcise Laune im Hinaufgehn zu Baum, sofortiges Nachlassen oben, Verlegenheit gegenüber dem Kinde.

Sonntag: Im Kontinental bei den Kartenspielern. "Journalisten" mit Krämer vorher 1 1/2 Akte. Viele gezwungene Lustigkeit in Bolz ist sichtbar, aus der sich allerdings auch ein wenig wirkliche zarte ergibt. Frl. Taussig vor dem Teater getroffen, in der Pause nach dem 2 Akt. In die Garderobe gelaufen, mit fliegendem Mantel zurückgekommen und sie nachhause begleitet.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at