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[Tagebuch, 8. Februar 1912; Donnerstag]

8 II 12 Goethe: Meine Lust am Hervorbringen war grenzenlos.

Ich bin nervöser, schwächer geworden und habe einen großen Teil der Ruhe, auf die ich vor Jahren stolz war, verloren. Als ich heute die Karte von Baum bekam in der er schreibt, dass er doch die Conference zum ostjüdischen Abend nicht halten kann und ich also glauben mußte, dass ich die Sache werde übernehmen müssen, war ich ganz unbeherrschbaren Zuckungen überlassen, wie kleine Feuerchen sprang das Aufklopfen der Adern den Körper entlang; saß ich, zitterten mir unter dem Tisch die Knie und die Hände mußte ich aneinanderdrücken. Ich werde ja einen guten Vortrag halten, das ist sicher, auch wird die aufs höchste gesteigerte Unruhe an dem Abend selbst mich so zusammenziehn, dass nicht einmal für Unruhe Raum sein wird und die Rede aus mir geradewegs kommen wird wie aus einem Flintenlauf. Es ist aber möglich, dass ich nachher niederfallen und jedenfalls es lange nicht werde verwinden können. So wenig Körperkraft! Sogar diese paar Worte sind unter der Beeinflussung der Schwäche geschrieben.

Gestern Abend bei Baum mit Löwy. Meine Lebendigkeit. Letzthin hat Löwy bei Baum eine schlechte hebräische Geschichte "Das Auge" übersetzt.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at