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[Reisetagebuch Weimar-Jungborn, 11. Juli 1912; Donnerstag]

11 (Juli 1912) Gespräch mit einem Dr. Friedrich Schiller, Magistratsbeamter Breslau, der lange in Paris gewesen ist, um die städtischen Einrichtungen zu studieren. Gewohnt in einem Hotel mit der Aussicht in den Hof des Palais Royal. Früher in einem Hotel beim Observatoire. Eines Nachts war im Nebenzimmer ein Liebespaar. Das Mädchen schrie vor Glück in unverschämter Weise. Erst bis er sich durch die Wand anbot, einen Arzt zu holen, wurde sie still und er konnte schlafen. - Meine beiden Freunde stören mich, ihr Weg geht an meiner Hütte vorüber und da bleiben sie immer ein Weilchen an meiner Tür stehn zu einer kleinen Unterhaltung oder Einladung zu einem Spaziergang. Ich bin ihnen aber auch dankbar dafür. - In der "Evangelischen Missionszeitung" Juli 1912 über Missionen in Java: "Soviel sich auch gegen die dilettantische ärztliche Tätigkeit der Missionäre, die sie in größtem Umfange ausüben, mit Recht einwenden läßt, so ist sie doch wiederum das Haupthilfsmittel ihrer Missionstätigkeit und nicht zu entbehren."

Hie und da bekomme ich leichte oberflächliche Übelkeiten, wenn ich, meistens allerdings in einiger Entfernung, diese gänzlich Nackten langsam zwischen den Bäumen sich vorbeibewegen sehe. Ihr Laufen macht es nicht besser. - Jetzt ist an meiner Tür ein ganz fremder Nackter stehen geblieben und hat mich langsam und freundlich gefragt, ob ich hier in meinem Hause wohne, woran doch kein Zweifel ist. - Sie kommen auch so unhörbar heran. Plötzlich steht einer da, man weiß nicht, woher er gekommen ist. - Auch alte Herren, die nackt über Heuhaufen springen, gefallen mir nicht. - Abend Spaziergang nach Stapelburg. Mit den zweien, die ich einander vorgestellt und empfohlen habe. Ruine. Rückkehr 10 Uhr. Zwischen den Heuhaufen auf der Wiese vor meiner Hütte einige schleichende Nackte, die in der Ferne vergehn. In der Nacht, als ich durch die Wiese nach dem Kloset wandere, schlafen drei im Gras.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at