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An Felice Bauer
Meine liebste Wohltäterin, also doch noch ein Brief, und gar ein solcher
und über die Maßen schöner. Als es um ½II Uhr läutete
- es konnte kaum jemand anderer sein als derBriefträger-stand ich
hinter der Glastür meines Zimmers und suchte mich im vorhinein zu
trösten: "Es kann kein Brief kommen", sagte ich mir, "wie
sollte denn heute noch ein Brief kommen, Felice kann sich doch nicht krank
schreiben. Du wirst dich unbedingt bis morgen gedulden müssen."
Und ich zitterte wahrhaftig in meiner Not.
Liebste, das ist wieder einmal ein Brief, bei dem einem heiß vor
ruhiger Freude wird. Da stehn nicht diese vielen Bekannten und Schriftsteller
herum, da -
also da wurde ich gestört, es war am Nachmittag und jetzt ist so spät,
dass ich gar nicht zu schauen wage, aus dem versperrten Hause werde
ich mich zum Bahnhof schleichen (ach, wenn es mein Vater und die Verwandten
wüßten, die ich seit dem Morgen nicht gesehen habe) und diesen
Fetzen einwerfen. Ich kann Dich um meiner Ruhe willen Montag nicht ohne
Nachricht vom Sonntag [lassen]. Es geht mir ganz gut, nur die Zeit hat
man mir gestohlen; wie könnte es mir schlecht gehn, solange Du mich
lieb hast. Jetzt aber laufen!
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at