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20. XII. 12
Aber Liebste, woher kommt nur diese Deine Unruhe, leben wir denn nicht gerade so friedlich nebeneinander, als es nur in diesem Jammer möglich ist? Was überkommt Dich? Du bist gleichzeitig die Ruhe und die Aufregung meines Herzens, stelle Dir meinen Herzschlag vor, wenn Du in einem solchen Zustande bist. Ich habe Deinen Brief mit heißen Wangen so oft gelesen in der Hoffnung, irgendein Friede, irgendeine Fröhlichkeit würde sich doch irgendwo zeigen. Es ist gewiß nur die Laune eines unglückseligen Abends gewesen, und auch mein aufgeregter Fetzen aus dem Bureau, den ich nun doch schon mitschicke, ist eigentlich nicht mehr wahr. Denn ich weiß, morgen kommt wieder ein zuversichtlicher Brief meines starken Mädchens, das nur für eine Mitternachtsstunde von der Müdigkeit und schrecklichen Plage so hingeworfen wurde.Dein Franz
[Beigelegt auf einem Formular - List objednávací - der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt]
Liebste, nur um mir die Sorge um Dich für einen Augenblick zu erleichtern, schreibe ich auf dieses Papier, das mir gerade zunächst liegt. Bitte, bitte, sei nicht so unruhig, das kann ja gar nicht gut enden. Könnte ich Dich doch da auf den Sessel neben mich niedersetzen, Dich halten und Dir in die Augen sehn. Es ist etwas vom Irrenhaus in meinem Leben. Unschuldig und freilich auch schuldig bin ich, nicht in eine Zelle, aber in diese Stadt eingesperrt, rufe das liebste Mädchen an, will sie ruhig und glücklich haben, aber tatsächlich rufe ich nur die Mauern und das Papier an und mein armes Mädchen leidet.
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 | werner.haas@univie.ac.at |