Voriger Eintrag Jahresübersicht | IndexseiteNächster Eintrag

[An Felice Bauer]
[Prag, 24. November 1912; Sonntag]

24. XI. 12

Aus besonderer Schlauheit - und um mich vor der Geliebten durch Schlauheit auszuzeichnen - schicke ich jeden Bogen dieses Sonntagsbriefes (es sind fünf) in einem besondern Briefumschlag weg, es ist wegen der uns verfolgenden Post, die doch nicht alle Briefe (selbst wenn sie, da heute Sonntag ist, nicht rekommandiert werden können) wird verlieren können. Allerdings ist wieder die Gefahr größer, dass bei dieser Methode ein oder der andere Bogen verloren geht, nun ich tue, was ich kann und will nicht durch Aussprechen weiterer Befürchtigungen die Gefahr herbeilocken.

----------

Mittwoch, Liebste, bekommst Du wahrscheinlich keinen Brief von mir, eher eine Ansichtskarte, aber die vielleicht lieber in Deine Wohnung, damit die kleine Dame nicht aufmerksam wird.

----------

Bitte schreibe mir ganz genau, ob Du dich wohl befindest; Diese Kopfschmerzen! Dieses Weinen! Diese Nervosität! Liebste, ich bitte Dich viele Male, schlaf ordentlich, geh spazieren, und wenn Du beim Lesen meines Briefes irgend ein Ärgernis herankommen siehst, das ich aus Unvorsichtigkeit zu beseitigen unterlassen habe, zerreiß bitte rücksichtslos den Brief, aber ruhig, ruhig! Es liegt nichts an einem Brief, ich schreibe Dir zehn für den einen und wenn Du die 10 zerreißt, schreibe ich 100 zum Ersatz.

Dein Franz

Ob Du nicht lieber im Sommer in ein Sanatorium gehn solltest. Ich werde Dir das Leben dort nächstens sehr verlockend beschreiben.

----------

Du, hast Du Dich einmal umgesehn, ob die Juden in Berlin spielen, ich denke es müßte so sein. Leider habe ich dem Löwy bisher nicht geantwortet, es hat sich an dem , was ich Dir im ersten Briefe schrieb, dass ich nämlich ein unpünktlicher Briefschreiber bin, bis heute nichts geändert.

----------

Das Jahrbuch erscheint frühestens im Feber. Mein Büchel erscheint nächsten Monat oder im Jänner. Du bekommst beides natürlich gleich nach dem Erscheinen. In den Flaubert habe ich absichtlich nichts hineingeschrieben, es ist ein Buch, in das keine fremde Schrift hineingehört. Außerdem weiß ich aber nicht, ob ich imstande bin, noch etwas an Dich zu schreiben, was sich vor der Welt sehen lassen könnte.

Dein


Juden: Die Wandertruppe ostjüdischer Schauspieler, zu der auch Jizchak Löwy gehörte.
Jahrbuch: "Arkadia". Ein Jahrbuch für Dichtkunst, hrsg. von Max Brod. Es erschien im Juni 1913 im Kurt Wolff Verlag (Leipzig). Kafkas Beitrag zu diesem Jahrbuch war die Erzählung "Das Urteil".
Büchel: Kafkas erste Buchveröffentlichung "Betrachtung" im Verlag Ernst Rowohlt, Leipzig, erschien im Dezember 1912.
Flaubert: Gustave Flaubert (12.12.1821 - 7.5.1880): "Education sentimentale". Siehe Brief vom 15. November 1912.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at