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[An Felice Bauer]
[Prag, 19. November 1912; Dienstag]

19. XI. 12

Liebste, das sind keine Vorwürfe, nur Bitten um Erklärungen, ich werde ganz traurig, weil ich mich nicht auskenne. Es ist ganz recht, dass wir den Irrsinn der vielen Briefe lassen, ich habe darüber gestern selbst einen Brief angefangen und schicke Dir ihn morgen, aber diese Veränderung der Brieftermine kann doch nur im Einverständnis geschehn, muß doch vorher besprochen und angezeigt werden, sonst wird man davon ja verrückt. Wie soll ich mir also erklären, dass Du nach Deiner eigenen Mitteilung meinen letzten eingeschriebenen Brief Freitag vormittag bekommen oder wenigstens von ihm erfahren hast, dass Du mir aber erst Samstag auf ihn geantwortet hast, dass Du in dem Samstagbrief schreibst, Du werdest Samstag noch einmal schreiben, es aber nicht tust und ich Montag statt der versprochenen 2 Briefe keinen bekomme, dass Du weiter im Laufe des Sonntags kein Wort mir geschrieben hast, sondern erst in der Nacht den Brief, der mich ja glücklich macht, soweit ich dazu noch fähig bin und dass Du schließlich sogar am Montag nicht an mich geschrieben hättest, überhaupt nicht geschrieben hättest, wenn ich nicht telegraphiert hätte, denn Dein Expreßbrief ist der einzige Brief, den ich vom Montag habe. Aber das Sonderbarste und Erschreckende ist dieses: Du bist 1 ½ Tage krank, dabei die ganze Woche in Proben; trotzdem Du krank bist, gehst Du Samstag abend tanzen, kommst um 7 Uhr früh nachhause, bleibst bis 1 Uhr in der Nacht wach und gehst Montag abend auf einen Hausball. Um des Himmels willen, was ist das für ein Leben! Erklärungen, Liebste, bitte Erklärungen! Laß nur die Blumen und Bücher. Es ist ja nichts als meine Ohnmacht.

Franz

[Auf einem beigelegten Blatt]
Wie ich jetzt sehe, hast Du mir ja auch im Sonntagbrief einen Brief am Montag bestimmt versprochen.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at