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[An Felice Bauer]
[Prag, Ende September / Anfang Oktober 1912]

Mein Fräulein, ich unterbreche nur das Schreiben um ½1 in der Nacht, um mich einen Augenblick an Ihnen festzuhalten. Ich tue es nicht, weil ich es im Augenblicke brauchte, ich fühle mich gerade stark genug, sonst hätte ich das Schreiben ja nicht unterbrechen können. Nur zittere ich überall, so wie das Licht die Leinwand in den ersten Tagen der Kinematographie zum Zittern brachte, wenn Sie sich daran erinnern. Ich bin zu glücklich und leide zu viel schon seit mehr als einer Woche. Ich durchschreibe die erste Hälfte und verdämmere die zweite Hälfte schon einiger Nächte. Am Tag Bureau und alles mögliche und mein schwaches, elendes Wesen. Zu wem zu klagen, wäre mir jetzt gesünder, als zu ihrer großen Ruhe?

Ihr     Franz K.

Weil man abergläubisch wird in diesen Nächten und weil man die Macht des einmal Niedergeschriebenen überschätzt und die Vervielfältigung des aufgeschriebenen Irrtums in der Ewigkeit weiterarbeiten sieht, sage ich noch, dass ich nur mein Elend, um Himmels willen aber nicht mein Glück verkleinern möchte. Geht es aber nicht anders, dann bleibe so wie es ist. Wie wirkt Ihr Anblick schon von der Ferne auf mich!


Dem Brief vom 18.5.1913 beigelegt.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at